Luther, der Ketzer
Bisher unbeachtete Akten in den Vatikanischen Archiven lassen erstmals detailliert erkennen, wie Luther von Rom aus wahrgenommen wurde. Volker Reinhardt zeigt in seinem bahnbrechenden Buch, wie sich daraus ein ganz neues Bild der Reformation ergibt, deren tiefere, bis heute nachwirkende Ursachen in Hass und Unverständnis zwischen „kultivierten Italienern“ und „barbarischen Deutschen“ liegen. Luther hegte einen flammenden Hass auf „des Teufels Sau, den Bapst“. Die römischen Theologen wiederum verstanden nicht, was der grobschlächtige, unendlich eitle Mönch anderes wollte, als das Papsttum zu zerstören. Und fromme Fürsten in Deutschland hatten ihre eigenen Gründe, den wortgewaltigen Hassprediger zu unterstützen. So war der Weg zur Kirchenspaltung früh vorgezeichnet – ganz unabhängig von den theologischen Disputen, die schon damals kaum jemand verstand. Volker Reinhardt zeigt anhand bisher vernachlässigter römischer Quellen über Luther, dass die wahren Gründe für die Glaubensspaltung jenseits der Glaubensfragen liegen. Er rekonstruiert erstmals die großen, von Protestanten mythisch verklärten Begegnungen zwischen Luther und dem Papsttum aus römischer Sicht, zeigt, warum die Päpste das Geschrei im fernen Deutschland oft nicht ernst nahmen, und zeichnet ein erstaunlich neues Bild von dem Kampf der Mentalitäten und Interessen, der die Welt verändert hat.
Die Italiener: moralisch verkommen, äußerlichen Dingen zugetan, korrupt und dekadent. Die Deutschen: unzivilisierte Barbaren, miserables Latein, grob, verschlagen. Diese Stereotypen prägten die Wahrnehmung der theologischen Gegner in Rom sowie in Wittenberg. Von Beginn der Kontroverse an, die sich zur Kirchenspaltung auswuchs, war weder Luther noch dem Papst an einer ernsthaften Diskussion gelegen. Man stritt über die Willensfreiheit und die Bedeutung der guten Werke, aber die Fronten waren bereits um 1517/18 verhärtet.
Volker Reinhardt wartet mit einer neuen These auf. Es waren kulturelle und nationale Vorurteile, die die Spirale des Nicht-verstehen-Wollens in Gang setzten und schließlich zur Eskalation führten. Die Treffen Luthers mit den Legaten des Papstes werden überzeugend aus beiden Perspektiven dargestellt. Was blieb: der Papst als Antichrist und Luther als vom Teufel Besessener.
Oliver Hochadel in Falter 7/2017 vom 17.02.2017 (S. 30)
ISBN | 9783406688287 |
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Ausgabe | 3., durchgesehene Auflage |
Erscheinungsdatum | 12.12.2016 |
Umfang | 352 Seiten |
Genre | Sachbücher/Geschichte/Neuzeit bis 1918 |
Format | Hardcover |
Verlag | C.H.Beck |