H wie Habicht
Schon als Kind beschließt Helen Macdonald, Falknerin zu werden. Ihr Vater unterstützt sie in dieser ungewöhnlichen Leidenschaft, er lehrt sie Geduld und Selbstvertrauen und bliebt eine wichtige Bezugsperson in ihrem Leben. Als er stirbt, setzt sich ein Gedanke in Helens Kopf fest: Sie muss ihren eigenen Habicht abrichten. Sie ersteht einen der beeindruckenden Vögel, ein Habichtweibchen, das sie auf den Namen Mabel tauft, und begibt sich auf die abenteuerliche Reise, das wilde Tier zu zähmen.
Der Schwan hat den Schnabel vorn
„Nature Writing“ ist schwer angesagt, und der Buchmarkt wird von Vögeln beherrscht – zumindest auf den Covern
Vergesst Bootsstege im Nebel, vergesst Menschen, die surfen, schwimmen oder vom Trampolin springen, vergesst handgepinselte Typo, die aussieht wie jene auf Jonathan Safran Foers Debüt „Everything Is Illuminated“. Der neue Goldstandard der Coverkunst besitzt einen Schnabel und hat Flügel.
Apropos Gold: Erster Vorbote des gegenwärtigen ornithonarrischen Trends war Donna Tarrts Schwarte „The Goldfinch“ (dt.: „Der Distelfink“, 2014), und der titelgebende Vogel besitzt (in Form des kleinformatigen Gemäldes „Het puttertje“ vom Rembrandt-Schüler Carel Fabritius) handlungstragende Funktion. Erst recht gilt das für die grimmige Grafik von Helen Macdonalds Sachbuchbestseller „H wie Habicht“ (2015), und auch in Nell Zinks grandiosem Debüt „Der Mauerläufer“ (2016) hat der im alpinen Raum beheimatete Titelheld einen wichtigen Part inne. Ähnliches gilt für den Kampfläufer, der auf dem Cover von Juli Zehs Stadtfluchtsatire „Unterleuten“ (2016) zu sehen war.
Spätestens seit Cynthia d’Aprix Sweeneys Überraschungserfolg „Das Nest“ (2017) scheint sich das Blatt indes gewendet zu haben. Der launige Familienroman, hat mit den am Umschlag der deutschen Ausgabe abgebildeten Vögeln gar nichts zu tun (die vermeintliche Vogelbehausung ist in Wirklichkeit der Name eines Treuhandfonds). Für die Produktion der aktuellen Frühjahrssaison gilt: Alles, was Federn hat, sticht – und darf sogar von Männern verfasste Bücher schmücken (Vögelvorreiter: Norbert Gstrein und Andreas Maier). Den Schnabel hat übrigens eindeutig der Schwan vorn. Ein solcher ziert nicht nur die jüngsten Veröffentlichungen von Gstrein, Jane Gardam und Tanja Paar, sondern auch eine Neuübersetzung von Edgar Allan Poes „Unheimlichen Geschichten“. Eh logisch: „Sprach der Singschwan: ,Nimmermehr!‘“
Klaus Nüchtern in Falter 8/2018 vom 23.02.2018 (S. 30)
ISBN | 9783548377353 |
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Ausgabe | 1. Auflage |
Erscheinungsdatum | 17.11.2017 |
Umfang | 576 Seiten |
Genre | Sachbücher/Spiritualität |
Format | Hardcover |
Verlag | Ullstein Taschenbuch Verlag |
Übersetzung | Ulrike Kretschmer |