Wenn die Gestapo an die Tür deiner Familie klopft
Freistadt im östlichen Mühlviertel, wir schreiben das Jahr 1944. Hermann ist zwölf, sein Vater dient an der Front, seine Mutter versucht, die drei Kinder durchzubringen. Als Sozialisten sind seine Eltern sowieso verdächtig, und auch Hermann wird von besonders eifrigen HJ-Führern schikaniert. Im Ort soll sich ein Deserteur verstecken, ein neuer Kreisleiter tritt seinen Dienst an und dann beginnen die Verhaftungen. Auch Hermanns Vater ist dabei.
Leonora Leitl, Jahrgang 1974, studierte Grafik- und Kommunikationsdesign in Linz und legte in den letzten fünf Jahren zwölf teils preisgekrönte Kinderbücher vor. In „Held Hermann“, ihrem ersten Werk in Romanlänge, zeigt sie sich als vollendete Erzählerin. Dadurch, dass sich Hermann vieles von dem, was die Erwachsenen vor ihm verbergen wollen, detektivisch erschließen muss, entsteht Spannung. Mit ihrer historischen Genauigkeit setzt Leitl dem Provinzstädtchen Freistadt der 1940er-Jahre ein Denkmal.
Die viele Alltagsdetails, die Ausflüge der Buben in die nahe Natur oder auf den Kirchturm, der Versuch der Mutter, einen Weihnachtskuchen mit Ersatzprodukten zu backen, oder die Kunst, Eier in einem Gurkenglas haltbar zu machen, und nicht zuletzt die Sprüche der Rositant geben dem Roman Fülle. Ein so lakonisch wie einfühlsam erzähltes, wahrhaftiges Buch mit zahlreichen Illustrationen der Autorin.
Kirstin Breitenfellner
in
FALTER 43/2020 vom 23.10.2020 (S. 31)