Warten Erkundungen eines ungeliebten Zustands von Friederike Gräff, Mariana Leky, Andreas Tretner, Helmut Pammler, Godola Wysk, Maximilian Probst, Alexander Görke, Matthias Stolz, Martin Klingner, Ulrike Grave, Oliver Tolmein, Anette Gräff, Dorothea Lüddeckens, Victoria Trauttmansdorff, Frank Selbmann, Christian Gräff, Kurusch Namvarnia, Katharina Eggers, Argyris Sfountouris, Elke Schicke, Michaela Schäuble, Schendel, Christoph Heidenhain, Martina Kuhn € 16,50 in den Warenkorb Lieferung in 2-7 Werktagen Verlag: Links, Christoph, Verlag Format: Hardcover Genre: Belletristik/Essays, Feuilleton, Literaturkritik, Interviews Umfang: 192 Seiten Erscheinungsdatum: 19.12.2014 Rezension aus FALTER 37/2014Es gibt zwei Arten: das große und das kleine WartenBereits für etwas da zu sein, das noch nicht da ist, empfinden die meisten als eintönig. Eine Journalistin aber erkennt im Warten ein abwechslungsreiches Thema. Durchschnittlich 219 Tage stehen wir im Laufe unseres Lebens im Stau. Von den fast zwei Jahren, die wir telefonieren, verbringen wir 140 Tage in der Warteschleife. Zahlen und Fakten sind ein Strang in Friederike Gräffs Buch über das Warten. Einen weiteren bildet die Erforschung mehr oder weniger geduldiger Menschen. Der berühmte Marshmallow-Test des gebürtigen Wieners Walter Mischel zeigt, dass aus Kindern, die Belohnungen aufschieben können, erfolgreichere Erwachsene werden. Ein amerikanischer Soziologe hat die Hierarchien in den Warteschlangen des ehemaligen Ostblocks untersucht. Vor allem aber geht es hier um die Geschichten der Wartenden, die Gräff selbst zu Wort kommen lässt, indem sie ihre Interviews essayartig zusammenfasst. "Vielleicht gibt es ein kleines und ein großes Warten", resümiert ein Häftling. "Beim kleinen wartet man auf so etwas wie Essen, beim großen auf die Liebe, Kinder, die Entlassung." Diese Kategorisierung wird durch Gräffs Gesprächspartner bestätigt. Ein Flüchtling wartet auf den Asylbescheid, eine Prostituierte auf den nächsten Freier, eine noch recht junge Frau auf die Spenderniere, ein unheilbar Kranker auf den Tod. Diese Schilderungen sind ebenso fesselnd wie die Überlegungen zum Thema "Wie man eine Transplantationswarteliste organisiert, obwohl sie nicht gerecht sein kann". Wobei es die Autorin versteht, ihren Geschichten das Pathos zu nehmen. Sprachlich einfühlsam bei den großen Themen und liebevoll bemüht um die Details webt Gräff die Stränge ihres Debüts so ineinander, wie dies nur große Erzähler können. Das Ergebnis ist ein feinsinniges, zwischen Sachbuch, Essay und Literatur mäanderndes Werk über ein ebenso gewöhnliches wie ausgefallenes Thema. Dank der übersichtlichen Gliederung in kürzere Abschnitte lässt es sich übrigens auch beim Warten gut lesen.Andreas Kremla in FALTER 37/2014 vom 12.09.2014 (S. 32)