Die Sprachen der Tiere
Die Philosophin und Schriftstellerin Eva Meijer beschreibt in diesem abwechslungsreichen und unterhaltsamen Buch tierische Kommunikationsformen. Sie wechselt dabei von wissenschaftlichen Anekdoten zu deren Analyse und von persönlichen Erlebnissen zu philosophischen Reflexionen über Sprache und ihre Funktionen. Die lautlichen Äußerungen von Hunden, Delfinen oder Elefanten beschreibt sie ebenso wie die erstaunlichsten systemischen und körperlichen Kommunikationsformen bei Ameisen oder Bienen. Es geht ihr neben der Entdeckung einer bis heute fast unerforschten Welt auch um die Möglichkeiten der Verständigung von Mensch und Tier. Ihre überraschenden Entdeckungen und Einsichten münden jedoch letztlich in der Frage, ob es nicht an der Zeit wäre, die schwache politische Position der Tiere zu überdenken. Denn wer Sprache hat, ist ein Mensch und damit ein ethisches Subjekt, so jedenfalls eine jahrhundertealte philosophische Überzeugung, mit der man bislang den Menschen über das Tier erheben wollte. Eva Meijer leistet mit diesem glänzenden Buch einen Beitrag zu einer längst überfälligen Debatte.
Der kluge Hans ist rechenschwach, aber keine Gans
Es gab Zeiten, da hielten selbst die klügsten Köpfe ihrer Epoche Tiere schlechterdings für seelen- und empfindungslose Automaten. In anderen Diskursen wurden ausgewählte Arten zu „Bestien“, als welche sie buchstäblich das verkörperten, was den Menschen überkommt, wenn er aufhört, ein Mensch zu sein. Als Repräsentant der Grenze zum Humanen musste das Tier einen substanziellen Mangel aufweisen: keine Seele, kein Bewusstsein, keine Sprache – und ergo natürlich auch: keine Rechte.
Die niederländische Schriftstellerin, Philosophin, Künstlerin und Musikerin Eva Meijer (Jg. 1980) stellt das so ziemlich alles infrage und weist auf eine grundlegende Schwäche des Ansatzes hin, mit dem die kognitive und kommunikative Kompetenz von Tieren gemessen wird. Der geht nämlich immer vom Menschen aus. Würde die Intelligenz des Menschen in der von Gerüchen definierten Welt der Hunde überprüft werden, stünde er mit seiner total unempfindlichen Nase als ziemlicher Vollkoffer da. Der Kluge Hans, ein Pferd der Rasse Orlow-Traber, wurde zu Beginn des vorigen Jahrhunderts seiner arithmetischen Künste wegen als Jahrmarktsattraktion vermarktet – bis in Experimenten nachgewiesen wurde, dass er die richtigen Lösungen nur bei Blickkontakt mit dem Fragesteller zu geben vermochte. Er war entlarvt, dabei war Hans ziemlich begabt, bloß nicht im Rechnen, sondern darin, sein menschliches Gegenüber zu lesen, das durch unwillkürliche minimale Kopfbewegungen dem Klugen Hans unbewusst signalisierte, wann das letzte Klopfzeichen mit dem Huf fällig war.
Meijer erzählt von solidarischen Hunden, höflichen Pavianen und trauernden Elefanten. Tiere zu anthropomorphisieren ist problematisch, man soll die Gemeinsamkeiten aber auch nicht vorschnell wegreden: Wenn ein Schwarzschwanzpräriehund seinen „jump-yip“ – eine Art Freudensprung – vollführt, weil eine Schlange ihn nicht gesehen hat, dann darf man vielleicht doch davon ausgehen, dass er happy ist. Für die anseriphobe Überschrift entschuldigen wir uns selbstverständlich!
Klaus Nüchtern in Falter 25/2018 vom 22.06.2018 (S. 28)
Reihe | Naturkunden |
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ISBN | 9783957575364 |
Ausgabe | 2. Auflage |
Erscheinungsdatum | 18.04.2018 |
Umfang | 176 Seiten |
Genre | Sachbücher/Natur, Technik |
Format | Hardcover |
Verlag | Matthes & Seitz Berlin |
Illustrationen | Pauline Altmann |
Herausgegeben von | Judith Schalansky |
Übersetzung | Christian Welzbacher |