Das Gespenst des Kapitals

224 Seiten, Taschenbuch
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Reihe minima oeconomica
ISBN 9783037341162
Erscheinungsdatum 16.12.2010
Genre Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
Verlag DIAPHANES
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Kurzbeschreibung des Verlags



Angesichts der Ereignisstürme im gegenwärtigen Finanzgeschäft widmet sich Joseph Vogl den Wahrnehmungsweisen, Theorien und Problemlagen dessen, was man mit gutem Grund immer noch Kapitalismus nennen muss. Gerade Finanzmärkte gelten als das Marktgeschehen schlechthin: Unbelastet von den Beschwernissen der Produktion sind sie – für die herrschende ökonomische Doktrin – Schauplätze eines perfekten Wettbewerbs und idealer wirtschaftlicher Ausgleichprozesse: ein segensreiches Zusammenspiel von gewinnorientierten und also ebenso rationalen wie zuverlässigen Akteuren. Darum wollte man in Spekulationsblasen und Crashs bloße Anpassungskrisen oder jene Ausnahmesituationen erkennen, die im irrationalen Überschwang eines vielleicht gierigen, vielleicht inkompetenten oder schlicht rücksichtslosen Spekulationswesens gründen.



Hier setzen die Fragen des Essays an: Sind die irrationalen Exuberanzen wirklich Ausnahmefälle oder nicht eher reguläre Prozesse im Getriebe kapitalistischer Ökonomien? Reicht die Unterscheidung von rational und irrational überhaupt hin, die Effekte dieses Systems zu fassen? Begegnet ökonomische Rationalität hier nicht unmittelbar ihrer eigenen Unvernunft? Arbeitet das System tatsächlich effizient und rational?



Einer ebenso historischen wie theoretischen Sondierung folgend, hegt der Essay einen grundlegenden Zweifel darüber, ob die alte liberale Hoffnung auf die ausgleichende Ordnungsmacht des Marktes – Adam Smiths berühmte ›unsichtbare Hand‹ – noch gerechtfertigt ist. So wenig der Kapitalismus als reiner Rationalisierungsprozess beschrieben werden kann, so wenig lassen sich Spekulation und Spekulanten als verworfene oder pathologische Ausnahmegestalten begreifen. Das liegt nicht zuletzt an den Dynamiken der modernen Finanzökonomie, die sich auf die Wirkungsweise einer stets offenen und ungewissen Zukunft verpflichtet. Für die Märkte der futures und Derivate ist Zukunft, d.h. Zeit zur unerschöpflichen Ressource geworden. Im Zentrum steht das Wissen um jene scheinbar irregulären Ereignisse, in denen die finanzökonomische Welt unlesbar und undurchschaubar geworden ist: Hier wirken Ungewissheit und Instabilität im Herzen des Systems; und hier vollzieht sich ein Angriff der Zukunft auf die übrige Zeit – das Gespenst des Kapitals.


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ISBN 9783037341162
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FALTER-Rezension

Böse Märkte oder Das Märchen von der guten Gier

Robert Misik in FALTER 10/2011 vom 09.03.2011 (S. 35)

Wirtschaftstheorie: Joseph Vogl zeigt, warum Finanzmärkte ruinös sind und Wirtschaftstheorie zu Ideologie tendiert

Das Bild, das die Wirtschaftswissenschaften von der Ökonomie zeichnen, ist eines der vollendeten Harmonie. Diese Wissenschaft ist seit jeher auch und vor allem eine große literarische Kunstform, die suggestiv zu beschreiben vermag, wie aus den erratischen Handlungen vieler eine große Ordnung entsteht, wie aus irrationalen oder nicht rationalen Impulsen Vernunft wird. An vielen Beispielen, von Adam Smith' "unsichtbarer Hand" bis zu den "Effizienzmarkttheorien" jüngerer Zeit, lässt sich das unschwer zeigen.
Da wird nachzuweisen versucht, wie Märkte zum "natürlichen Gleichgewicht" tendieren, wie das Spiel von Angebot und Nachfrage zur vernünftigen "Selbstkorrektur" führt, wie aus einem Gewirr an Zahlungen auf einer Metaebene "ideale Märkte" entstehen. Die Wirtschaftswissenschaft ist eine versöhnliche Ideologie, die uns glauben macht, das Unvernünftige würde mithilfe der großen Verwandlungsmaschine der Märkte zu Vernunft, das Amoralische zu Moral, die Selbstsucht zum allgemeinen Vorteil und die irrationalen Exuberanzen zu Stabilität führen.

Das beginnt schon bei der Morallehre der freien Marktwirtschaft, bei der Vorstellung nämlich, dass der Eigennutz und die Gier des Einzelnen zum allgemeinen Nutzen umschlagen würden. Dass, wie uns Adam Smith klarzumachen versuchte, nicht die Menschenfreundlichkeit des Bäckers unsere Versorgung mit Brot garantiert, sondern dessen Gewinnstreben.
Angesichts eines solchen Narrativs müssen die Ausschläge und Zusammenbrüche, die Krisen und Finanz-GAUs völlig unerklärlich bleiben, und sie werden regelmäßig auch so beschrieben: als völlig überraschende Geschehnisse. Aber, so fragt Joseph Vogl in seinem klugen Groß­essay "Das Gespenst des Kapitals", "sind die irrationalen Exuberanzen wirklich Ausnahmefälle oder nicht eher reguläre Prozesse im Getriebe kapitalistischer Ökonomien? Reicht die Unterscheidung von rational und irrational überhaupt hin, die Effekte dieses Systems zu fassen?"
Joseph Vogl hat ein kluges und gelehrtes Traktat vorgelegt. Als Sozialtheoretiker und Kulturwissenschaftler hat er sich in den vergangenen Jahren durch die Fachliteratur gelesen, aber auch reale Marktgeschehnisse studiert. So ist er in der Lage, genau hinzusehen. Auf Gütermärkten, so Vogl, mag die Harmonielehre ihre Berechtigung haben. Wächst die Nachfrage nach Zahnstochern, das Angebot aber nicht, so steigen die Preise, was wiederum in aller Regel die Nachfrage reduziert.

Aber für die modernen Finanzmärkte gilt das nicht. Wertwachstum gebiert neuen Kredit und damit weiteren Wertwachstum, der Boom bläht die Geldmenge auf, was wiederum den Boom aufbläht. Das ist schon auf simpel strukturierten Finanzmärkten der Fall und erst recht auf unregulierteren, ausdifferenzierteren, auf denen ein neues Finanzierungsins­trument nach dem anderen erfunden wird. "Mit Fragen der Finanzökonomie verlieren die notorischen Gleichgewichtsmodelle der politischen Ökonomie ihr verlässliches, gleichsam naturwüchsiges Statut."
Die Mechanismen von Angebot und Nachfrage, so Vogl, gelten nur für einen Bereich, "in dem man mit fixen Budgets operiert", aber dort, wo optimistische Zukunftserwartungen sofort zum Wachstum der Geldmenge führen – oder verdüsterte Erwartungen zu einem Schrumpfen der Geldmenge –, gilt das nicht. "Gerade dar­um aber sind Trendverstärkungen und positive Rückkopplungen keine katastrophischen Ausnahmen, sondern endogene Funktionselemente des Systems." Die Finanzmärkte, kurzum, tendieren zu keinem Gleichgewicht, sondern sind ruinös.
Gewiss, Vogl ist nicht der Erste, der das erkannt hat: Bei Keynes oder Hyman Minsky oder in jüngerer Zeit bei Robert Shiller und Robert Skidelsky kann man das auch nachlesen, ohne den manchmal schwerfälligen kulturtheoretischen Jargon. Vogl zeigt in seiner großen Skizze, dass der gängigen Wirtschaftstheorie seit jeher ein harmonisierendes Narrativ zugrunde liegt, dass sie, auch wenn sie mit noch so vielen nüchternen Formeln und mathematischen Gleichungen daherkommt, ökonomische Ideologie ist, deren Prämissen mit dem "Markt der Märkte", den Finanzmärkten, nichts zu tun haben.
Vogl schreibt nicht gegen Märkte, aber für eine Säkularisierung der Marktideologie und dekons­truiert, wie er es nennt, die "Metaphysik des Westens". Er rennt damit offene Türen ein, aber manchmal ist das notwendig.

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