Als Jesus in die Puszta kam

272 Seiten, Hardcover
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ISBN 9783039300242
Erscheinungsdatum 06.09.2021
Genre Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Verlag Elster & Salis Verlag GmbH
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Kurzbeschreibung des Verlags

Ludwig, der Antiheld in Gábor Fónyads Roman »Als Jesus in die Puszta kam« ist weder besonders religiös noch ein Weltverbesserer und schon gar kein Messias. Trotzdem rutscht er immer tiefer in eine scheinbar ausweglose Situation als der neue Heilsbringer. Denn inmitten von Fake News und Verschwörungstheorien weiß auch er plötzlich nicht mehr, was noch wahr und was fake ist. Fónyads Roman zeigt den schmalen Grat zwischen Wahrheit und Wahn, Glaube und Fanatismus, romantischer Liebe und Mitläufertum. Und er hinterfragt eine rund um die Uhr von Medien dominierte Gesellschaft mit leisem Sarkasmus und präziser Beobachtung.

Der junge und antriebslose Spielwarenverkäufer Ludwig wird in Wien aus seinem eintönigen Leben gerissen, als er von einer kleinen Gruppe Ungarn als der wiedergekehrte Messias auserwählt wird. Als Beweis dafür dienen Ludwigs Narben an den Händen und seine ungarische Mutter – denn für die Ungarn ist klar: Jesus war einer von ihnen! Ludwig wiederum weiß nur wenig über seine Herkunft und stolpert in ein Wild-West- Abenteuer mitten in der ungarischen Puszta. Ausgerechnet die Pfarrerstochter, die ihm den Kopf verdreht hat, öffnet ihm die Augen über den Ernst der Lage, und er merkt viel zu spät, dass er bereits tief im Schlamassel sitzt.

Nicht zufällig findet der Höhepunkt des Romans in Ungarn statt – und doch könnte er überall spielen. Gespickt mit Anspielungen auf die rasante Zunahme von Verschwörungstheorien weltweit hat die Realität es dennoch geschafft, ihn und sein Werk nicht nur einmal einzuholen.

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ISBN 9783039300242
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FALTER-Rezension

Gott wohnt in Heiligenwurm

Martin Pesl in FALTER 42/2021 vom 20.10.2021 (S. 13)

Der Wiener Autor Gábor Fónyad geht den Auswüchsen des ungarischen Größenwahns auf den Grund

Einst zog ein Volk über den Ural gen Europa. Eine Hälfte ging ins heutige Finnland, die andere nach Ungarn. Ersteren wurden alle Vokale zugesprochen, Letzteren die Konsonanten. Diese in Legendenform gebrachte Abstammungslehre ist wissenschaftlich belegt, wird aber in Ungarn zusehends bezweifelt. Ist ja auch kaum zu glauben, dass die Ortsnamen
Uusikaupunki und Szentgyörgyvölgy auf dieselbe Sprachfamilie zurückgehen.

„Die Ungarn sind etwas Besonderes. Das denken zumindest überproportional viele von ihnen“, meint der 1983 in Wien geborene Autor, Gymnasiallehrer und Universitätslektor Gábor Fónyad. „Die neuen ungarischen Geschichtsbücher führen die Verwandtschaft mit dem Finnischen als nur eine von mehreren Thesen“, erklärt er. „Dafür rückt die Beziehung zu den Hunnen in den Vordergrund, die aber eher in den Bereich der Mythologie gehört. Und irgendwann landest du dann bei Jesus.“

Mit der Idee, Gott habe zuerst die Ungarn geschaffen, Ungarisch sei die Ursprache der Menschheit, wird seit dem frühen 20. Jahrhundert geliebäugelt, Exilanten auf der Flucht vor dem religionsfeindlichen Kommunismus verbreiteten die Mär und verkauften erfolgreich ihre entsprechenden Schriften. Das Buch „Der Gott der Ungarn“ eines gewissen János Borbola ist allerdings gerade vergriffen.

In seinem zweiten Roman „Als Jesus in die Puszta kam“ spinnt Fónyad die irre Theorie weiter. Wie der Autor ist der Ich-Erzähler des Romans Wiener mit ungarischen Wurzeln. Ludwigs Eltern sind gestorben, seine Freundin hat ihn verlassen. Den lustlos verrichteten Job im Spielwarengeschäft hat er nur deswegen, weil dessen Besitzer es interessant findet, dass er Ungarisch kann. Trotz seines österreichischen Akzents meint eine Gruppe Männer, in Ludwig den „wahren“, den ungarischen Jesus zu erkennen. Sie laden ihn nach Szentkukac ein (zu deutsch: Heiligenwurm), ins Zentrum der Urmagyaren, um ihn der Gemeinde früher oder später als Messias zu präsentieren.

„Wie soll man so etwas widerlegen?“, fragt Fón­yad. „Wenn dir jemand sagt, du seist Jesus? Oder Bill Gates habe dir einen Chip implantiert?“ Die Mechanik grassierender Verschwörungstheorien ist mittlerweile allzu bekannt. Auch jene rund um die Corona-Pandemie kommen im Roman vor, die Urmagyaren bauen sie mühelos in ihre wirre Argumentationslinie ein. Ludwig wird freundlich empfangen, fühlt sich aber beobachtet und hat im Ort nur auf eine begrenzte Zahl Webseiten Zugriff. Die Männer lächeln seine Beteuerungen, nicht der Heiland zu sein, freundlich weg, wobei einige jüngere ihre Gewaltbereitschaft deutlich zu erkennen geben.

Bei aller Skurrilität der Situation kann der Leser das Dilemma des Protagonisten gut nachvollziehen. In Szentkukac halten ihn Neugier und die Überzeugung, den Irrtum bald aufklären zu können. Dazu kommen die deftig-üppige Küche der übel antisemitischen Pfarrersfrau und Ludwigs aufkeimendes Interesse für deren Stieftochter Tina, die im „liberal verseuchten“ Budapest studiert – ein Skandal, über den aus Rücksicht auf den Familienfrieden wenig geredet wird.

Das Verhalten, Politik besser erst gar nicht anzusprechen, kennt Fónyad aus der eigenen Verwandtschaft. Die Einstellung zu Viktor Orbán spaltet in Ungarn viele Familien. Der mit absoluter Mehrheit regierende rechtskonservative Ministerpräsident sät geschickt Hass gegen alle, die nicht „wahre“, katholische Ungarn sind. „Dabei ist Orbán selbst kein Antisemit, aber er toleriert den grassierenden Antisemitismus einfach“, erklärt Fónyad. „Ursprünglich war er liberal, eher links der Mitte und unreligiös. 1994 hat er eine Wahl verloren, erkannt, dass er so nicht weit kommt, und sich seine Ehe nachträglich kirchlich absegnen lassen.“

Im Roman selbst erwähnt Fónyad den selbsternannten Retter der Christenheit freilich mit keinem Wort. Und in seinem Debüt „Zuerst Tee“ (2015), der herzigen Geschichte eines verklemmten Sprachwissenschaftlers, vermied er Ungarn-Bezüge ganz, um nicht in der Schublade „Migrantenliteratur“ zu enden. Ungarn kam dennoch auf ihn zu: Auszüge wurden übersetzt, Fónyad war als Gast zur Budapester Buchmesse geladen.

Vor Lesungen aus dem Puszta-Roman fürchtet sich Fónyad ein wenig. „Ich will wirklich kein Ungarn-Bashing betreiben, dennoch wird es Ungarn geben, die das Buch in die falsche Kehle kriegen.“ Mit einer Mischung aus Unbehagen und Vorfreude erfüllt ihn die Vorstellung, der landesweit bekannte Journalist und Orbán-Kumpane Zsolt Bayer könnte das Buch in seiner Fernsehsendung verreißen. „Der würde sagen, schaut, dieser Österreicher schimpft über uns. Gute Werbung wäre es immerhin.“

Fónyad kombiniert Innen- und Außensicht zu einer eigenen Perspektive. Er bringt manche schwer nachvollziehbare Eigenheiten heutiger Ungarn auf den Punkt, zieht gängige Ungarn-Klischees unaufdringlich durch den Kakao. Mit dem Exotikeffekt kokettierend nennt Ludwigs Chef im Wiener Spielwarengeschäft ihn vor Kundinnen gern László. Das heißt aber Ladislaus, Ludwig wäre Lajos. Umgekehrt kommt der ungarische Minderwertigkeitskomplex zum Ausdruck, der besteht, seit das Land nach dem Ersten Weltkrieg Territorium einbüßte. Das sogenannte „Friedensdiktat“ von Trianon 1920 begründete Opfermentalität wie Größenwahn. All das in einer Sprache, deren Funktionsweise sich der großteils indogermanischen Nachbarschaft so gar nicht erschließen will.

Die Ungarn versteht einfach niemand. Nicht einmal die Finnen.

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