Die Austreibung des Anderen

Gesellschaft, Wahrnehmung und Kommunikation heute
112 Seiten, Hardcover
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ISBN 9783103972122
Erscheinungsdatum 28.07.2016
Genre Sachbücher/Philosophie, Religion
Verlag S. FISCHER
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S. Fischer Verlag GmbH
Hedderichstraße 114 | DE-60596 Frankfurt am Main
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Kurzbeschreibung des Verlags

Der international als »neuer Star der deutschen Philosophie« gehandelte Byung-Chul Han legt nach seinem Bestseller »Psychopolitik« sein neues Buch über Gesellschaft, Wahrnehmung und Kommunikation heute vor:
Die Zeit, in der es den Anderen gab, ist vorbei. Der Andere als Freund, der Andere als Hölle, der Andere als Geheimnis, der Andere als Verführung, der Andere als Eros verschwindet. Er weicht dem Gleichen. Die Wucherung des Gleichen macht heute die pathologischen Veränderungen aus, die den Sozialkörper befallen. Sie gibt sich dabei als Wachstum. Nicht Entfremdung, Entzug, Verbot, Verdrängung, sondern Überkommunikation, Überinformation, Überproduktion und Überkonsumtion machen ihn krank. Nicht Repression durch den Anderen, sondern Depression durch das Gleiche ist das Zeitzeichen von heute. Byung-Chul Hans neuer Essay spürt der Gewalt des Gleichen in den Phänomenen wie Angst, Globalisierung und Terrorismus nach, die die heutige Gesellschaft kennzeichnen.

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FALTER-Rezension

Leben wir in der Hölle des Gleichen?

Matthias Dusini in FALTER 41/2016 vom 12.10.2016 (S. 35)

Philosophie: Byung-Chul Han ist der Düsterling unter den Gegenwartsdiagnostikern

Die Rhetorik des deutschen Essayisten Byung-Chul Han folgt dem Schema der Steigerung. Der Blick des Gefängniswärters im Überwachungsstaat sei schon schlimm genug, argumentiert der Autor in seinem neuen Buch „Die Austreibung des Anderen. Gesellschaft, Wahrnehmung und Kommunikation heute“.
Viel repressiver aber regiere das folgende Regime, das sich den Anstrich der Freiheit gebe. Die digitalen Medien kontrollierten die Bürger nicht durch einen überwachenden Blick, sondern durch die aus Big Data gewonnenen Informationen. „Das digitale Panoptikum schränkt die Freiheit nicht ein, sondern beutet sie aus.“
Ein anderes Beispiel: Generationen von Marxisten arbeiteten sich am Begriff der Entfremdung ab, der das feindliche Verhältnis des Arbeiters zu den von ihm hervorgebrachten Waren benennt. „Was Produkt seiner Arbeit ist, ist er nicht. Je größer also dieses Produkt, je weniger ist er selbst“, zitiert Byung-Chul Han Karl Marx.
Aber sei die vom neoliberalen Regime geforderte Selbstverwirklichung nicht noch perfider, weil die Ausbeutung freiwillig geschehe?

Auch der zentrale Begriff des „Anderen“ folgt dieser Logik. In den von der Psychoana­lyse beeinflussten Theorien der 1960er-Jahre war das Andere der Vernunft gemeint, das Irrationale und Sexuelle.
Der Begriff hat auch eine metaphysische Tradition: Religiöse Systeme unterteilten den Kosmos in Licht und Dunkel und beschrieben das „Andere“ als das verführerische Böse.
Geht es nach Byung-Han, geboren 1959 in Seoul und heute Professor für Philosophie und Kulturwissenschaft an der Universität der Künste in Berlin, dann war das alles nichts gegen das Leben in der zeitgenössischen Hölle, in der nicht das Andere, sondern das Gleiche wuchere. „Die Zeit, in der es den Anderen gab, ist vorbei“, konstatiert der Autor.
Sogar der zum Geflüchteten stilisierte Fremde sei nur mehr eine Karikatur des Anderen, löse er doch keine wirkliche Angst, sondern bloß Ressentiment aus. Nicht einmal richtige Rassisten gibt es mehr.
Byung-Chul Han ist der Düsterling unter den Gegenwartsdiagnostikern. Wie der Soziologe Hartmut Rosa beobachtet er in der technischen Umwelt den Verlust der Fähigkeit, etwas zu empfinden, mit dem Kulturtheoretiker Robert Pfaller teilt er die Ansicht, dass die Idealisierung der Selbstverwirklichung zu einer Kultur des pathologischen Narzissmus führe.
Doch während Rosa und Pfaller die Entwicklungsgeschichten von Begriffen wie Narzissmus oder Resonanz berücksichtigen, verwendet sie Byung-Chul Han, der Popstar unter den Philosophen, der mittlerweile so etwas wie Kultstatus genießt, lediglich als Schlagwörter, um den zivilisatorischen Verfall im Superlativ darzustellen.

Die Hölle, das sind nicht die anderen, wie es bei Jean Paul Sartre heißt, sondern die Gleichen: die Like-vergebenden Smartphone-User, die erfahrungsverweigernden Touristen, die Do-it-Yourself-Knechte. In ermüdender Mantrahaftigkeit wiederholt der Autor Topoi, die er bereits in den Büchern „Müdigkeitsgesellschaft“ (2010), „Transparenzgesellschaft“ (2012) und „Psychopolitik“ (2014) formulierte.
Auch an der Liste der zitierten Meisterdenker hat sich wenig geändert. So zitiert Byung-Chul Han den späten Heidegger, der sein Heil in der „Schwere der Berge und der Härte ihres Urgesteins“ suchte, in den Augen des Kulturkritikers ein positiver Kontrast zur substanzlosen Geschmeidigkeit des Cyberspace.
Wo vom Verlust des Eigentlichen die Rede ist, biegt natürlich auch Peter Handke um die Ecke. Byung-Chul Han greift dabei ausgerechnet auf jene umstrittenen Texte zurück, die der Schriftsteller in Zusammenhang mit seinem Engagement für den inzwischen verstorbenen Kriegsverbrecher und Präsidenten von Ex-Jugoslawien Slobodan Milosevic verfasste.
„Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morawa und Drina“ ist ein 1996 erschienener Reisebericht, in dem Handke „Gerechtigkeit für Serbien“ forderte.
Den medialen Stereotypen über die angeblich blutrünstige Nation stellte Handke damals Bilder einer archaischen Ursprünglichkeit entgegen, etwa das „Niederdrücken der uralten Eisenklinke“ oder das Betrachten der „walddunklen massigen Honigtöpfe“.

Byung-Chul Hans konservative Neoliberalis­mus­kritik schließt an jene Denkschule an, die in den 1980er-Jahren französische Techniktheoretiker in den deutschsprachigen Raum importierte.
Kleinverlage wie Merve und Matthes & Seitz publizierten Werke von Jean Baudrillard oder Paul Virillo, die die Beschleunigung und Virtualisierung der modernen Welt für den Verlust einer direkten Begegnung zwischen den Menschen verantwortlich machten.
Auf diese Analysen greifen heute auch nationalkonservative Denker wie Tumult-Herausgeber Frank Böckelmann zurück und propagieren eine ethnische Identität als Rezept gegen die fragmentierende Globalisierung.
Byung-Chul Hans Ausführungen befeuern diese rückwärtsgewandte Diagnose, auch wenn sie das Programm einer identitätstiftenden, „völkischen“ Gemeinschaft nicht explizit formulieren.
Das Andere stellte für die postmodernen Philosophen auch eine Position am Rande der Gesellschaft dar, den Ausschluss etwa von Homosexuellen und Psychiatriepatienten durch die rational begründeten Normen der Mehrheitsgesellschaft.
Byung-Chul Han kappt diesen politischen Bezug und ignoriert, dass die „Austreibung des Anderen“ einen Fortschritt darstellen könnte. Die Entdämonisierung des Wahnsinns und der Perversion machte das Leben zwar farbloser, aber ohne Zweifel auch erträglicher.
Auf empirische Befunde verzichtend, verlässt sich Byung-Chul Han ganz auf die spekulative Kraft seiner Gedanken – und liefert so das Musterbeispiel für eine Gesellschaftskritik, die sich zur spirituellen Klage über den Niedergang alles Irdischen verdunkelt.

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