

Grausame Kinder: Die Wahrheit über die Peanuts
Ulrich Rüdenauer in FALTER 22/2025 vom 30.05.2025 (S. 31)
Mehrere Generationen sind mit den Peanuts aufgewachsen, haben sich im melancholischen Charlie Brown wiedererkannt oder in Lucys durchtriebenen Spielchen etwas über sich erfahren. Halloween, Weihnachten, Sommer auf dem Baseballplatz: Nie werden Linus mit seiner Schmusedecke, Schroeder mit seinem Faible für Beethoven oder der tagträumende Hund Snoopy auch nur einen Tag älter. Charles M. Schulz' Peanuts - das ist der bedeutendste Daily Strip der Geschichte. Über Jahrzehnte gehörte er zur täglichen Ausgabe amerikanischer Zeitungen.
Und bald schon eroberten die "Li'l Folks" die ganze Welt, nicht nur auf Papier, sondern auch im Fernsehen, auf T-Shirts und Kaffeebechern.
Der Essay des Übersetzers und Kulturhistorikers Joachim Kalka, der zum heuer 75. Geburtstag der Peanuts in überarbeiteter Fassung erscheint, führt uns zurück in diesen Kinderkosmos, der das ganze Universum und alle menschlichen Abgründe umfasst. Das grundlegende Thema der Peanuts sei von Anfang an die Grausamkeit unter Kindern gewesen, bekannte Schulz einmal. "Dieser sehr liebevoll gezeichnete und von den Lesern geliebte Strip ist im Grunde von hochneurotischer Schwärze", schreibt Kalka. "Es handelt sich um ein düsteres Märchen vom fortwährenden Scheitern."
Die Liebe: verläuft stets unglücklich. Die Religion: eine skeptisch betrachtete Angelegenheit. Die Psychoanalyse: als Scharlatanerie enttarnt. Gerade aber die Einsicht ins unvermeidliche Misslingen rührt die Leser, tröstet sie sogar. Kalka spricht einmal von "komischer Schmerzhaftigkeit".
Was für sein Brevier einnimmt, sind die große Kenntnis des Genres Comic und die prägnante Abhandlung der in den Strips verhandelten Motive. Zudem gelingt es ihm, trotz der Kürze des Büchleins, viele Szenen mit Charlie Brown, Snoopy und Co. in Erinnerung zu rufen. So lässt sich vollkommen eintauchen in diese Welt, in der, wie Kalka schreibt, Kindheit sowohl aufgehoben ist wie auch wiederhergestellt wird.