
Ein Abgesang auf die heile Welt von gestern
Michael Omasta in FALTER 11/2016 vom 16.03.2016 (S. 6)
Die Neuauflage ihres Romans „Ein österreichischer Don Juan“ ist ein guter Anlass, Marta Karlweis (1889–1965) wiederzuentdecken
Erwein von Raidt ist ein affektierter, gefühlskalter Frauenheld. Sein größter Stolz ist seine imposante Trophäensammlung („ein linker Schuh von jeder Frau, die er ‚ausgezeichnet gekannt hat‘“), sein größtes Plaisier, im Leben seiner Freunde und vielen Bekanntschaften herumzufuhrwerken. So auch in dem seines Mündels Cecile, der eigentlichen Hauptfigur des Romans „Ein österreichischer Don Juan“.
Die feingeistige Cecile ist ein leichtes Opfer. Sie wohnt in einer Zimmer mit der unguten Tant’ Melanie zusammen, einer ehemaligen Handarbeitslehrerin, und steht unter der Kuratel ihrer Mutter, der verwitweten Hofrätin Löwenstein, die sie meist nur „Judenmädel“ nennt und noch immer so schlank ist, „dass man ihr die Herzlosigkeit an den Hüften ablesen“ kann.
Cecile also wird schwanger, bringt einen Sohn zur Welt, der sofort zur Adoption freigegeben wird, und Raidt verkuppelt die junge Frau mit dem grundsoliden Herrn Gustav Perglas, der vergebens auf ihre Zuneigung hofft. Es folgt ein typisches Frauenschicksal – lieblose Ehe und zwei Töchter inklusive –, zumal eines mit brutalem, allzu frühem Ende. Cecile erkrankt an Krebs, „sie hustete, sie schmolz von innen verzehrt in sich zusammen“.
Der 1929 zuerst erschienene Roman ist ebenso gründlich in Vergessenheit geraten wie seine Autorin. Marta Karlweis (1889–1965), aus Wien gebürtig, veröffentlicht mit Mitte 20 ihre ersten Erzählungen und lässt im Übrigen nichts anbrennen. Sie ist bereits zweifache Mutter und hat ihre erste Ehe so gut wie hinter sich; in zweiter heiratet sie Jakob Wassermann. Nach dem Tod des Bestsellerautors 1934 übersiedelt sie mit ihrem gemeinsamen Sohn in die Schweiz, studiert bei C.G. Jung, sattelt auf Psychoanalyse um und emigriert schließlich weiter nach Kanada.
Karlweis selbst tritt als Ich-Erzählerin auf. Als sie Erwein Raidt, den sie bisher vor allem von Berichten ihrer Eltern her kannte, nach Jahren wiedersieht, ist sein Titel „von“ schon Geschichte und gehört Karlsbad, der Ort dieser zufälligen Begegnung, längst nicht mehr zu Österreich.
Es ist ein Abgesang auf die vermeintlich heile Welt von gestern, den Marta Karlweis hier anstimmt – ein glänzend geschriebener, bitterböser Roman, der die Wiederentdeckung der Autorin und ihres Werks befeuern sollte.


