

Vier Frauen und ein Fußball-Mann
Sebastian Gilli in FALTER 37/2019 vom 13.09.2019 (S. 35)
Noch nie seit der Gründung des Deutschen Buchpreises im Jahr 2005, den damals Arno Geiger mit „Es geht uns gut“ gewann, waren so viele österreichische Autorinnen und Autoren nominiert wie heuer: sechs von insgesamt 20, die es auf die sogenannte „Longlist“ schafften.
Die Quote von 30 Prozent ist vermutlich auch dem Umstand zu verdanken, dass mit der Literaturkritikerin Daniela Strigl und der Buchhändlerin Petra Hartlieb zwei Österreicherinnen in der siebenköpfigen Jury sitzen. Ein starkes Lebenszeichen der heimischen Literatur ist es allemal. Marlene Streeruwitz ist bereits zum dritten Mal nominiert. Ihr Roman „Flammenwand“ erschien im Frühjahr und wurde bereits im Falter (23/19) rezensiert. Wir präsentieren hier die verbleibenden vier Kandidatinnen und den einzigen Kandidaten. Wer die fünf Finalistinnen und Finalisten der „Shortlist“ sind, entscheidet sich am 17. September. Die Preisverkündung und -vergabe findet am 14. Oktober im Rahmen der Frankfurter Buchmesse statt.
Tonio Schachinger - von der Katharsis eines Overachievers
Fußball, Frauen, Auto, Sex und Handy. Mehr braucht Ivo nicht – und das ist ja eh schon scheißviel. Ivo Trifunovi, österreichischer Superkicker mit Wiener Balkanhintergrund, sagt gerne scheiße: Scheißtor, Scheißgruppendenken, Scheißleben. Die Hauptfigur aus Tonio Schachingers Romandebüt „Nicht wie ihr“ ist ein notorischer Flucher. Dort ein Beidl, da ein Hurenkind. Der Wiener Milieuslang kommt ihm dabei vorzüglich entgegen, Oida!
Tonio Schachinger, 1992 in Neu-Delhi als Diplomatensohn geboren, in Nicaragua und Wien aufgewachsen, ist literarisch bisher noch nicht in Erscheinung getreten. Prompt schießt er nun eine vergnügliche Fußballerkomödie auf den Literaturmarkt. Der durchgedrehte Ivo, der frappant an den Fußballer Marko Arnautovic erinnert, ist ein Charakter unserer Zeit, angetrieben vom Selbstdarstellungswahn auf Instagram und dem Bedürfnis, immer geil sein zu müssen. Mit dem Unterschied, dass Ivo es aus den Gemeindebauschluchten und Kickerkäfigen hinausgeschafft hat. Er spielte sogar bei Real Madrid und jetzt für Everton, ist 27 Jahre alt und verdient 100.000 Euro pro Woche. Er ist ein Overachiever.
„Wer keinen Bugatti hat, kann sich gar nicht vorstellen, wie angenehm Ivo gerade sitzt“, lautet der erste Satz im Buch. Doch die heile Welt des Familienmenschen gerät durcheinander, als Ivos Jugendliebe Mirna auftaucht. Jetzt ist wieder was los im monotonen Luxusleben. Schachingers fetziger Fußballbildungsroman dribbelt sich nach oben – und schafft es als Aufsteiger direkt in die Gruppenphase der Champions-League.