Kauf mich!

Auf der Suche nach dem guten Konsum
240 Seiten, Hardcover
€ 22
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ISBN 9783218012225
Erscheinungsdatum 08.03.2021
Genre Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
Verlag Kremayr & Scheriau
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HerstellerangabenAnzeigen
Verlag Kremayr & Scheriau GmbH & CO.KG
Rotenturmstrasse 27/5 | AT-1010 Wien
d.sima@kremayr-scheriau.at
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Kurzbeschreibung des Verlags

„Wir sind mehr als unser Geldbörsel! Wir haben das Recht, unsere Stimme zu erheben.“

Wieso will ich den jetzt bitte kaufen?“ Ein Couchtisch auf einem Flohmarkt bringt Nunu Kaller ins Grübeln: Ethisch gesehen vertretbar. Aber: Sie hat einen Couchtisch. Braucht sie wirklich einen neuen?

Was passiert da in und mit uns? Warum können wir nicht nichts kaufen? Wann kann Konsum „gut“ sein – für mich, für die Umwelt, für die Menschen?

Nunu Kaller setzt an zum Deep Dive und geht dem Konsum im Alltag auf den Grund. Sie surft das Dopamin-High bei der Schnäppchenjagd, entlarvt die Tricks der Supermärkte und zerlegt die Greenwashing-Tricks der Modeindustrie. Sie untersucht die Psychologie unseres Kaufantriebs, wie ihn Industrie und Markt füttern, ist überzeugt, dass man niemanden in guten Konsum hinein-„shamen“ kann und tritt dafür ein, dass KundInnen nicht die Alleinverantwortung für nachhaltigen Konsum zugeschoben wird. Und sie richtet einen kämpferischen Aufruf an alle, von passiven KonsumentInnen zu aktiven GestalterInnen zu werden. Den Couchtisch hat sie übrigens nicht gekauft.

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ISBN 9783218012225
Erscheinungsdatum 08.03.2021
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FALTER-Rezension

Gerhard Stöger in FALTER 9/2021 vom 05.03.2021 (S. 6)

"Kauf mich!" bietet keinen simplen Zehn-Punkte-Plan zur Rettung des Planeten. Vielmehr reflektiert Nunu Kaller im persönlich gehaltenen Plauderton ausführlich über Konsum und seine Begleiterscheinungen in einer globalisierten Welt, über Verführung (durch Werbung), Verantwortung (von Konsumenten, Unternehmen und Politik) und die Chance auf Veränderung. Revolutionäre neue Erkenntnisse bleiben aus, Kallers Konsumkritik ist aber so unterhaltsam wie schlüssig.

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„Wie will ich leben, wie will ich konsumieren?“

Gerhard Stöger in FALTER 9/2021 vom 05.03.2021 (S. 4)

Es hatte eine gewisse Ironie: Ausgerechnet die Autorin, Bloggerin und Aktivistin Nunu Kaller, eine lautstarke konsumkritische Stimme mit NGO-Vergangenheit, organisierte zum ersten Corona-Lockdown spontan eine Online-Shopliste für den heimischen Handel. Anders als beim viel später folgenden „Kaufhaus Österreich“ gab es kaum Kosten, aber viel Zuspruch; rund 8000 Unternehmen, die kontaktfrei liefern, sind bis heute auf der Website liste.nunukaller.com zu finden.

Am 8. März erscheint Kallers neues Buch „Kauf mich!“. Die 39-jährige Wienerin begibt sich darin launig und ernsthaft zugleich auf die Suche nach einem Konsumverhalten, das individuelles Glück, Ökobewusstsein und globale Gerechtigkeit unter einen Hut bringt. Beim Zoom-Gespräch trägt Kaller einen bunten Schal zur grauen Vintage-Strickjacke, dazu die schickste klobige Brille, die je ein Mensch abseits von Elton John ausgeführt hat.

Falter: Frau Kaller, wann waren Sie
zuletzt shoppen?

Nunu Kaller: Ich habe mir auf willhaben neue Lampen fürs Wohnzimmer organisiert, zählt das? Geschäft habe ich nämlich noch keines betreten, seit der Lockdown für den Handel vorbei ist.

Am Beginn Ihrer konsumkritischen Arbeit stand ein Jahr ohne Shopping, das 2013 dann zum Buch „Ich kauf nix!“ führte. Wie kam es zu Ihrem radikalen Kauf-Entzug?

Kaller: Das war eine Trotzreaktion auf meinen Ex-Freund. Ich sei fetzenstur, aber nicht konsequent, hatte er mir vorgeworfen. Obwohl ich schon bei Global 2000 gearbeitet habe und um die Problematik der Baumwollproduktion wusste, war Kleidung tatsächlich mein blinder Fleck. Ich ging jahrelang shoppen, um mich abzulenken, zu belohnen, zu trösten. Einfach nur damit aufzuhören wäre noch keine Leistung gewesen, ich habe mir auch den Inhalt meines Kleiderkastens genauer angeschaut. Von der besten Kundin wurde ich dann schnell zur größten Feindin des Textilschweden.

Auch dessen Nachhaltigkeitsbemühungen kosten Sie nur ein müdes Lächeln. Warum?

Kaller: Andere Ketten produzieren in der Tat noch mieser, nur hängen sich die wenigstens kein grünes Mäntelchen um. Schon klar, ein riesengroßer Kahn wie H&M ist ungleich schwieriger zu wenden als ein kleines Segelschiff. Nur sollte man beim ersten Griff ans Steuerrad halt nicht gleich davon sprechen, dass der Kurs bereits ein anderer sei. Schaut man sich das Angebot dort genauer an, bleibt von Slogans wie „Für eine nachhaltige Zukunft“ kaum mehr als Greenwashing übrig.

Aber schafft nicht alleine die prominente Thematisierung von Nachhaltigkeit durch so einen Weltkonzern Bewusstsein?

Kaller: Ganz entschieden: nein! Nur darüber zu reden bringt überhaupt nichts, es braucht auch und vor allem Taten. Sprechen große Konzerne von Nachhaltigkeit, ohne danach zu handeln, öffnet das nur den Boden dafür, böser Produktion einen guten Anstrich zu geben.

Okay, kein Gewand von Konzernen also. Was zeichnet guten Konsum noch aus?

Kaller: Auf der individuellen Ebene führt kein Weg an der Reduktion vorbei. Wir brauchen einfach nicht alles. Was wir dagegen sehr wohl brauchen, ist mehr Reflexion und bewusstes Hinspüren, warum uns gewisse Produkte ansprechen. Wobei ich mich gegen die laufende Verantwortungsverschiebung verwehre, alle Last auf die Schultern der Konsumenten zu laden. Eh liegt es in der Hand von uns allen, nur wären halt schon auch Politik und Unternehmen massiv gefordert. Eine Studie zeigt, dass nur 100 Personen respektive Konzernchefs in ihrem Arbeitsleben massive Änderungen vornehmen müssten, und der Klimawandel wäre aufgehalten. 100 Personen!

Wie viel kann im Gegensatz dazu der einzelne Konsument bewirken?

Kaller: Natürlich hast du mit deiner Geldbörse eine gewisse Macht. Veränderung fängt im Kleinen an, bei jeder einzelnen Produktwahl. Es reicht allerdings nicht, bei H&M nur Teile aus der „Conscious Col-
lection“ zu kaufen. Weder rettest du damit die Welt, noch kriegst du ein wirklich nachhaltiges Produkt. In erster Linie bringst du dem Unternehmen Umsatz und stützt so ein System, das geändert gehört. „Die großen Bösen werden in diesem Leben nicht mehr gut werden“, hat eine Freundin von mir so schön gesagt. „Wir müssen uns die Welt selber bauen.“ Das mag sozialromantisch klingen, aber es ist definitiv was dran.

Ist die Forderung nach gutem Konsum letztlich nicht ziemlich elitär?

Kaller: Berechtigte Frage. Um bei meinem Leibthema zu bleiben: Ich kann nachvollziehen, dass jemand, der im Mangel aufwächst, überhaupt keinen Bock drauf hat, seine Kleidung secondhand zu kaufen. Nur braucht es da halt die Veränderung, dass Secondhand cool wird. Trends fangen immer in einer elitären Schicht an, um sich dann nach unten durchzumäandern. Genau das erhoffe ich mir auch beim nachhaltigen Konsum. Menschen ihre Freude am nagelneuen Billigshirt zum Vorwurf zu machen wäre jedenfalls der falsche Weg. Beschämen ist keine gute Strategie.

„Wer gut konsumieren will, muss weniger konsumieren“, lautet Ihre Kernaussage. Gleichzeitig beschreiben Sie in Ihrem Buch, wie der Körper durch die Lust am Kaufen Glückshormone freisetzt. Welche positiven Effekte bringt der Verzicht mit sich?

Kaller: Die Weisheit „Besitz belastet“ kommt ja nicht von ungefähr. Ausmisten erleichtert und kann zu einer Klarheit führen, die ebenfalls für Dopaminschübe sorgt. Glücksgefühle werden nicht nur durch Konsum, sondern etwa auch durch Bewegung oder Sex ausgelöst.

Stellen Sie sich vor, Sie sind einen Tag lang Umweltministerin und dürfen drei Gesetze erlassen. Was machen Sie?

Kaller: Erstens schreibe ich radikale Transparenz in den Lieferketten von Konsumprodukten vor. Zweitens führe ich die CO₂-Steuer ein, damit wir endlich den wahren Preis für Produkte bezahlen. Die Umweltauswirkungen müssten dann mit einfließen, womit das konventionell, also schlecht Produzierte plötzlich teurer wäre als das Bioprodukt. Meine dritte Maßnahme wäre, den öffentlichen Verkehr massiv auszubauen.

Ist die Politik eine Option für Sie?

Kaller: Ich habe kurz über eine politische Karriere nachgedacht und wollte ursprünglich auch für die Grünen in Wien kandidieren. Im Lockdown hatte ich dann sehr viel Zeit nachzudenken. Vor allem durch den Erfolg meiner Online-Shopliste wurde mir bewusst, dass ich mich auf der überparteilichen Seite sachlich viel wohler fühle.

Was haben Sie im Unterschied zum „Kaufhaus Österreich“ richtig gemacht?

Kaller: Beim „Kaufhaus Österreich“ könnte ich ganz viele Fehler aufzählen. Ich habe meine Einwände bei einem Runden Tisch im Planungsstadium auch deponiert, hören wollte sie aber niemand. Was ich mit der Liste richtig gemacht habe, weiß ich nicht. Wie so oft bei mir ist aus einer Idee mit vollem Einsatz etwas entstanden, ohne groß nachzudenken. Ursprünglich aus dem Impuls, unternehmerisch tätigen Freunden zu helfen, die durch die Pandemie vor dem Nichts standen.

Gibt es stichhaltige Untersuchungen zu Konsumänderungen in der Pandemie?

Kaller: Die Leute kaufen massiv weniger, das ist messbar, gleichzeitig sind nachhaltige Produkte gefragt wie nie zuvor. Die Verlangsamung hat sicher bei vielen Fragen ausgelöst: Wie will ich leben, wie will ich konsumieren? Die Menschenschlangen vor den Einkaufshäusern sprechen zwar eine andere Sprache, aber ich bin vorsichtig optimistisch.

Corona ist der größte Einschnitt ins globale Wirtschafts- und Konsumleben seit dem Zweiten Weltkrieg. Was kommt auf uns zu?

Kaller: Corona sorgt für eine Neusortierung, allerdings auch für eine beängstigende Marktkonzentration. Die Großen werden noch größer, die Kleinen sterben. Dem entgegenzuwirken wäre Aufgabe der Politik, nicht nur der österreichischen, sondern auch der europäischen. Es ginge jetzt um die Trendwende, bei einem Neustart gleich auf einer anderen, nachhaltigeren Ebene anzusetzen. Wobei der Green Deal, also das EU-weite Ziel der Klimaneutralität, da durchaus etwas bewegen sollte.

Es geht Ihnen um Reformen und nicht
um einen radikalen Bruch?

Kaller: Mit einer sehr guten Freundin blödle ich seit Teenagertagen über die Revolution. Seit wir uns ernsthaft die Frage gestellt haben, was denn danach kommt, hat sich das aufgehört. Ich glaube wirklich, dass der Kapitalismus in seiner gegenwärtigen Form nicht mehr lange haltbar ist, mir fehlen aber Antworten auf die Frage, wie man zu einem besseren, gänzlich anderen System kommen könnte. „Kauf mich!“ liefert daher bewusst keine Alternative zum Kapitalismus, sondern ein Plädoyer für Verbesserungen.

Kann es ein nachhaltiges, grünes Wirtschaftswachstum geben?

Kaller: Natürlich! Die Bedingung dafür sind massive Änderungen unseres individuellen Konsumverhaltens und Energieverbrauchs, kombiniert mit einem Umdenken in Richtung Green Jobs und nachhaltige Produktion. Wie gesagt: Es geht momentan nicht darum, den Kapitalismus abzuschaffen, er soll nur unter anderen Parametern stattfinden. Machbar wäre es, ganz ohne Utopie. Fraglich ist nur, ob wir den Übergang in ein neues System durch eine gemeinsame Kraftanstrengung hinbekommen, oder ob es vorher eine Revolution respektive den großen Crash braucht, der mit der Pandemie ohnedies über uns schwebt.

Vor der Pandemie war der Klimawandel ein großes Thema, „Fridays for Future“ hat weltweit junge Menschen mobilisiert. War diese Bewegung nur ein Sturm im Wasserglas, der durch die Pandemie wieder verebbt ist?

Kaller: Ganz zynisch gesprochen: Es wird uns nichts anderes übrig bleiben, als uns weiterhin mit diesem Thema zu beschäftigen. Wir werden die Auswirkungen des Klimawandels immer stärker spüren. Entschuldigung, aber wir haben in Teilen Österreichs Ende Februar 22 Grad? Noch nie in der Geschichte der Datenaufzeichnung war es so warm! Der Klimawandel ist durch Corona nicht abgesagt, es gab allenfalls eine kurze Atempause. Wenn aber alles wieder voll aufdreht: na Halleluja!

„Kapitalismus schlägt Umweltschutz“, sagen Sie. Stimmt das langfristig denn? Kollabiert der Planet ökologisch, ist schließlich auch der Kapitalismus kaputt.

Kaller: Schon, aber dann sind wir eh alle meier und brauchen diese Diskussion nicht mehr zu führen. Ohne Umwelt keine Gesellschaft und ohne Gesellschaft keine Wirtschaft, ganz einfach. Die Alternative zum Systemwechsel ist eine gar nicht so ferne Zukunft, die vom Krieg um Ressourcen geprägt ist.

Wie gelingt es, in großem Stil ein Umdenken zu bewirken?

Kaller: Durch entsprechende gesetzliche Regeln, die für alle gelten. Leider sind diese derzeit in Österreich nicht umzusetzen, weil Umweltschutz der Kanzlerpartei merklich wurscht ist. Sie vergisst nur, dass die Rechnung irgendwann nicht mehr aufgeht. Den Planeten kümmert es letztlich nicht, er wird uns Menschen im Extremfall los und existiert in anderer Form weiter.

Ich bin ein ziemlicher Modemuffel und
trage Jeans und T-Shirts, bis sie mir vom Körper fallen, daheim schlüpfe ich am liebsten in schlabbrige, löchrige Pullis
aus Jugendtagen. Wenn ich doch neues Gewand brauche: Wie stelle ich mich
nun am besten an, um in jeder Hinsicht
korrekt zu handeln?

Kaller: Eines machen Sie schon richtig: Wirklich erst dann nachkaufen, wenn man etwas Neues braucht, es also ein textiles Bedürfnis gibt und nicht das Bedürfnis, sich etwas zu gönnen. Das ist ein verdammt guter erster Schritt, der bei Männern öfter zu beobachten ist als bei Frauen und definitiv auch mit einer Gendersozialisierung zusammenhängt. Der nächste Schritt wäre, sich secondhand umzuschauen, dazu gibt es mittlerweile viele hilfreiche Apps, und das Angebot ist massiv.

Und wenn ich lieber etwas Neues hätte?

Kaller: Völlig in Ordnung, es gibt ja glücklicherweise doch eine große Auswahl an ökologisch und fair Produziertem. Vom Biopullover beim Massenhersteller rate ich aber ab, denn im Endeffekt hat die Näherin da nur eine andere Stoffrolle hingestellt bekommen. Das ökologischste Kleidungsstück ist trotzdem jenes, das nicht produziert werden muss. Die Zukunft liegt vor allem im Wiederverkauf gebrauchter Waren.

Gab es das nicht immer schon?

Kaller: Durchaus, nur hat der Aufstieg der globalen Textilketten den kleinen Secondhand-Läden Anfang der 90er-Jahre den Garaus gemacht. Nun tauchen sie auch bei uns wieder auf, in den USA sind sie länger schon Thema. Dazwischen liegt der Siegeszug der Globalisierung und der Fast Fashion.

Konsum sei eine Art Religionsersatz, sagen Sie. Fehlt der aufgeklärten Menschheit des 21. Jahrhunderts die Spiritualität?

Kaller: Jeder Mensch steht irgendwann vor der Sinnfrage, das ist das Schicksal vernunftbegabter Wesen. Man merkt ja richtiggehend, dass es den Leuten zu viel wird. Das spiegelt sich auch im geänderten Angebot: Die erfolgreichsten Zeitschriften heißen derzeit „Hygge“, „Flow“ oder „Happinez“ und handeln ausschließlich von Selbst-
optimierung, Sinnsuche und dem In-sich-Hineinspüren – was allerdings sofort wieder kommerzialisiert wird. Um mich selbst zu finden, brauche ich aber keine Chakra-Kette um 199 Euro, made in China. Konsum ist bisweilen auch der Versuch, die innere Leere zu füllen. Die Achtsamkeits-Industrie hat das geschnallt. „Du kannst dir deine Leere wegkaufen“, behauptet sie, was aber eine Lüge ist.

Sie sind nicht so down mit Achtsamkeit?

Kaller: Ich bin down damit, gut in meiner Mitte zu sein, mich zu spüren und meine Methoden zu finden, wie das funktioniert. Aber ich bin definitiv überzeugt davon, dass ich mir dafür nichts kaufen muss. Weder das tolle Yoga-Outfit noch sonst irgendwas. Meine Sinnsuche ist konsumfreie Zone.

Was wäre denn etwas im guten Sinne Gemeinschaftsstiftendes abseits von Kirche, Konsum und Achtsamkeits-Magazin?

Kaller: Mehr Solidarität, Hilfsbereitschaft und Gemeinsinn würden uns helfen und zu einem besseren und leichteren Leben für alle führen. Dabei geht es nicht nur um effektive wirtschaftliche Vorteile, es geht vor allem auch um ein Aufgehobensein: Helfe ich einer Person, hilft sie irgendwann auch mir. Es entsteht ein System, das nicht auf offenen Rechnungen basiert, sondern auf Hilfsbereitschaft. Dieses System bemühe ich mich zu leben.

Haben Sie abschließend eine allgemein gültige goldene Regel für guten Konsum?

Kaller: „Kauf mich!“ ist kein Ratgeberbuch, dafür ist Konsum individuell zu unterschiedlich und von zu vielen Einflüssen abhängig. Einen kleinen allgemeingültigen Tipp habe ich allerdings schon. Stellen Sie sich vor jedem Kauf die Zauberfrage!

Nämlich?

Kaller: Ganz einfach: „Brauch ich das wirklich?“

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