

„Es gibt keine hässlichen Frauen, nur faule“
Nathalie Grossschädl in FALTER 43/2020 vom 21.10.2020 (S. 37)
Helena Rubinstein soll gesagt haben: „Es gibt keine hässlichen Frauen, nur faule“. Schönheit war für sie kein Wunder oder Zufall, sondern ein Zusammenspiel von Naturwissenschaft, Forschung und Industrie. Sie gilt als Pionierin der modernen Kosmetikindustrie und des weiblichen Unternehmertums. Ihre beispiellose Karriere setzte für Frauenbiografien neue Maßstäbe. Sie hat den Schönheitssalon und das erste System zur Erkennung von Hauttypen erfunden. Durch ihre Entwicklungen wurde Schminken auch außerhalb von als verrucht angesehenen Professionen wie Schauspielerin und Prostituierte populär.
Zum 150. Geburtstag ist nun die erste deutschsprachige Biografie der nur 1,47 Meter kleinen Großunternehmerin erschienen. Sie ist empfehlenswert auch für jene, die sich nicht für Kosmetik interessieren. Ingo Rose und Barbara Sichtermann erzählen amüsant und voller Anekdoten den abenteuerlichen Lebenslauf der Kosmetikmagnatin nach.
Geboren wurde sie als älteste von acht Töchtern einer jüdisch-orthodoxen Familie in Krakau und wuchs dort in bescheidenen Verhältnissen auf. Chaja (ihren Vornamen änderte sie bei ihrer Firmengründung) war schon immer sehr willensstark, und eine arrangierte Ehe – wie es der Zeitgeist und ihre Eltern vorgesehen hätten – passte nicht zu ihrem Lebensplan. Mit 18 Jahren zog es sie zu Verwandten nach Wien und später nach Australien, wo sie begann, aus Polen importierte Cremes zu vertreiben. Nach einer Lehre in einer Apotheke gründete sie in Melbourne ihren ersten Schönheitssalon, in dessen Konzept sie schon damals Wellness, Leibesübungen und Ernährung integrierte. Sie selbst hasste übrigens Sport und liebte Krakauerwürstchen …
Unter ihrem neuen Namen Helena Rubinstein lancierte sie eine eigene Kosmetiklinie. Wurde sie später auf ihre Vergangenheit angesprochen, log sie unverblümt: Ihr Vater habe ein weitläufiges Landgut gehabt und sie ein abgeschlossenes Medizinstudium. Um den Makel der Quacksalberei, der noch an ihrer Kosmetik haftete, abzustreifen, ging sie nach Europa, um sich von namhaften Dermatologen schulen zu lassen. Saloneröffnungen in der Modestadt Paris und im konservativen London folgten, wo sich Rubinstein auch gleich privat niederließ. Die mehrstöckigen Schönheitstempel voller Kunst und Design waren beliebte Treffpunkte für die damalige Hautevolee, was der Vermarktung entgegenkam.
Vor dem Zweiten Weltkrieg ging die mittlerweile schwerreiche „Madame“, wie sie nur noch genannt wurde, mit ihrem Mann und den beiden Söhnen in die USA. Der Kampf um die neuen Märkte mit ihrer lebenslangen Feindin Elisabeth Arden stand auf dem Plan. Privat schlug ihr Herz für die Kunst, ihre Sammlung zählte zu den bedeutendsten der Welt. Und so richtig wohl fühlte sich sie sich nur im Kreise von Künstlern. Salvador Dalí, Man Ray oder Andy Warhol ehrten sie mit Porträts. Bloß Picasso stellte sich quer. Er macht zwar Skizzen, das versprochene Gemälde bekam sie aber nie.