
Ein Buch wie ein Rausch, Hangover inklusive
Sebastian Fasthuber in FALTER 39/2020 vom 23.09.2020 (S. 36)
Las Vegas hat in der österreichischen Literatur eine untergeordnete Rolle gespielt – zumindest so lange, bis Petra Piuk hinflog. Mit ihrem neuen Buch erweist sich die Autorin, die 2014 mit „Lucy fliegt“ gewitzt debütierte und für „Toni und Moni oder Anleitung zum Heimatroman“ (2017) Preise einheimste, einmal mehr als Expertin für falsche Idyllen und Scheinwelten. Zusammen mit der Fotografin Barbara Filips verbrachte sie dafür einen Monat in der Glücksspielmetropole. Arbeitsplan gab es lediglich einen sehr vagen: Alles auf sich wirken lassen, herumgehen, mitschreiben, fotografieren – und das Material zuhause sichten. Schließlich ist eine Las-Vegas-Novelle als Text-Bild-Band daraus geworden. Das Versprechen von endlosem Vergnügen und die Verheißung von Glück kippen darin bald in etwas fundamental Düsteres. Denn Vegas, das sind nicht nur Casinos und Blitzhochzeiten. Zu den Schattenseiten zählen die hohe Kriminalitätsrate – die Stadt ist in den USA sowohl bei der Mord- als auch bei der Suizidstatistik führend – sowie Armut. Wer sich keine Wohnung mehr leisten kann, haust in den Tunnelsystemen der Kanalisation.
Die Kapitel folgen den Zahlen und Farben des Roulettespiels. Statt einer Vorbemerkung gibt es mehrere Vorschläge, wie das Buch zu lesen ist. Das erinnert ein wenig an postmoderne Romane, die sich an beliebigen Stellen aufschlagen lassen. Piuk serviert dann aber doch eine durchlaufende Handlung, die allerdings von zahlreichen Flashbacks unterbrochen wird.
Lisa erwacht in ihrem Hotel. In wenigen Stunden geht ihr Flieger nachhause. Sie hat keine Erinnerungen an die letzte Nacht. Schnell muss sie ihre Gedanken ordnen und gleichzeitig ihren Freund Tom suchen, mit dem sie zwei intensive Wochen in Vegas verbracht hat. Dabei stört sie auch noch ein fieser Clown. Piuks von Zitaten, Stimmen und Echos durchzogener Text ist ein harter, böser, atemlos schneller Gedankenstrom über das Erleben einer surrealen Stadt, in der vieles, was uns an den USA schräg erscheint, noch einmal in grotesk übersteigerter Form zutage tritt.


