

Grüner Blick zurück voll Hoffnung und Frustration
Nina Horaczek in FALTER 39/2023 vom 29.09.2023 (S. 18)
Acht waren es, die am 17. Dezember 1986 das österreichische Parteiensystem veränderten. Damals zogen die Grünen mit acht Mandaten erstmals in den österreichischen Nationalrat ein, beziehungsweise in ein Raucherkammerl im Parlament. Denn bis die neue Partei eigene Arbeitsräume bekam, sollte es noch ein Jahr dauern. Das österreichische politische System war auf Parteineugründungen nicht vorbereitet. In der Legislaturperiode davor hatten SPÖ und ÖVP noch 172 von 183 Parlamentssitzen, den Rest besetzte die FPÖ.
Dann kamen die Grünen. Einer, der von Anfang an dabei war und das Bild der Ökopartei als Bürgerschreck mitprägte, war Andreas Wabl. Der Lehrer aus der Steiermark, der Anfang der 1980er bei den Alternativen andockte, stellt in seinem Buch die Frage: "Was wurde aus den Grünen?"
Der letzte Pionier Schließlich ist er der letzte der acht Pionierinnen und Pioniere, der noch bei den Grünen ist. Andere, wie Parteigründerin Freda Meissner-Blau, sind verstorben oder haben, wie Peter Pilz und Johannes Voggenhuber, mit ihrer früheren Partei gebrochen. Wabl wurde einer breiten Öffentlichkeit 1987 bekannt, als er auf dem Höhepunkt der Waldheim-Affäre im Plenum des Nationalrats eine Hakenkreuzflagge entrollte. Von 1988 bis 1990 war er grüner Klubobmann. 1999 schied er nach 13 Jahren als Abgeordneter aus dem Nationalrat aus.
In seinem Buch, das die Entwicklung der Grünen von der Hainburger Au bis ins Vizekanzleramt kritisch nachzeichnet, verlässt sich der Langzeit-Grüne nicht nur auf seine eigene Erinnerung und die historischen Unterlagen aus der grünen Anfangszeit, die bis vor kurzem in Kisten verpackt im früheren Kuhstall seines steirischen Bauernhauses standen. Er schrieb das Buch gemeinsam mit seinem Neffen Stephan Wabl und hat vor allem auch "alte Kampf-und Weggefährt:innen eingeladen, mir zu erzählen, warum sie von den Grünen enttäuscht sind".
Unversöhnliche Blicke zurück
Mit dabei sind die üblichen Verdächtigen Johannes Voggenhuber und Peter Pilz. Der grüne Langzeit-Europapolitiker Voggenhuber wurde 2009 von seinen Parteifreunden nicht mehr zum Spitzenkandidaten für die EU-Wahl aufgestellt und wandte sich daraufhin von den Grünen ab. Im Gespräch mit Wabl kritisiert er, die Grünen, einst aus den Protesten gegen das geplante Kraftwerk in Hainburg geboren, hätten mit den Umweltbewegungen von heute "gar nichts mehr zu tun. Das ist einer der Gründe, warum sie aktuell auf wackeligen Beinen stehen. Der zweite ist, dass die inhaltliche Arbeit seit mehr als zwanzig Jahren eingestellt wurde". Peter Pilz, dessen Antreten als "Liste Pilz" wesentlich dazu beitrug, dass die Grünen 2017 aus dem Parlament flogen, hält seine Ex-Partei überhaupt für "politisch gescheitert" und prophezeit, "ich halte es für möglich, dass sie bei der nächsten Nationalratswahl wieder rausfliegen".
Unter den verschiedenen Gesprächen sticht das mit Eva Glawischnig besonders hervor. Beeindruckend offen und ehrlich erzählt die frühere Grünen-Chefin, wie es aus ihrer Sicht zum Wahldebakel 2017 kam und wie sie selbst als Parteichefin am Machismo so manches Parteikollegen gescheitert ist: "Ich habe früher immer gedacht, dass es möglich ist, einen Job als Spitzenpolitikerin und ein Leben mit zwei kleinen Kindern zu vereinbaren. Ist es aber nicht -auch nicht bei den Grünen." Allein deswegen ist dieses Buch für alle politisch Interessierten empfehlenswert.