

Ein leidenschaftlicher Rationalist
Kirstin Breitenfellner in FALTER 15/2018 vom 11.04.2018 (S. 20)
Ein leidenschaftlicher Rationalist
Der Wiener Philosoph Karl R. Popper gehört zu den einflussreichsten Denkern des 20. Jahrhunderts. Seit der Jahrtausendwende ist es leiser um ihn geworden, dabei wären seine Ideen in Zeiten politischer Radikalisierung aktueller denn je.
Der Grazer Philosoph Kurt Salamun hält sich in seiner Popper-Monografie deswegen nicht lange bei der Biografie auf, die glücklicherweise schnell erzählt ist.
1902 in eine zum Protestantismus konvertierte jüdische Familie geboren, ging Popper schon 1935/36 nach England und 1937 nach Neuseeland, wo er in Christchurch
Dozent wurde. 1946 kehrte er nach London zurück und pflegte seitdem, im Gegensatz zu vielen anderen Emigranten, auch regen Kontakt mit seiner alten Heimat.
Die Grundlage seines Denkens wurde bereits im Wien der Zwischenkriegszeit gelegt, wie Salamun betont. Die Niederschrift seines bekanntesten Werks „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“ begann Popper an dem Tag, an dem ihn die Nachricht von der Invasion Hitler-Deutschlands in Österreich erreichte.
Poppers Hauptthese besagt, dass es keine absolute Wahrheit gibt. Das bedeutet in Bezug auf die Naturwissenschaften, dass Wahrheiten zur so lange gelten, bis sie falsifiziert werden. Und in der Politik, dass das wichtigste Moment darin besteht, Regierungen abwählen zu können.
Deswegen war Popper nicht nur ein Gegner von Despotien, sondern auch von großen Koalitionen sowie ein Verfechter des Mehrheitswahlrechts.
Salamuns Ziel, Poppers Thesen mit einem betont einführenden Duktus einer breiten Leserschaft zugänglich zu machen und ihr dabei das Rüstzeug zur Kritik totalitärer Ideologien mitzugeben, geht voll auf.
Denn er dekliniert diese nicht nur an Poppers eigenen Exempeln von Faschismus und Marxismus-Leninismus durch, sondern auch am Phänomen des Islamismus, dessen Ausbreitung Popper, der 1994 starb, nicht mehr erlebte.