

Schrebergärten für den Neuen Menschen
Matthias Dusini in FALTER 6/2020 vom 07.02.2020 (S. 32)
Die Frankfurter Küche wurde sie ein Leben lang nicht los. Dem Publikum war die Wiener Architektin Margarete Schütte-Lihotzky (1897–2000) als Gestalterin einer Küche bekannt, die die Arbeit am Herd möglichst einfach machen sollte und die Hausfrau dennoch nicht vom Leben der Familie abtrennte. Der Entwurf entstand 1926, als Schütte-Lihotzky für das Frankfurter Hochbauamt tätig war. Allein in der Main-Metropole wurde sie 10.000 Mal gebaut. Die Autorin Mona Horncastle revidiert in einem gut recherchierten biografischen Abriss das Bild vom one-trick pony. Nach dem Studium arbeitete Schütte-Lihotzky für das Siedlungsamt der Stadt Wien, das nach dem Ersten Weltkrieg die Wohnungsnot mit Schrebergärten bekämpfte. Hier entwickelte Schütte-Lihotzky ein Verständnis für standardisierte Haustypen, die dem rationalistischen Zeitgeist entsprachen.
Als das sozialdemokratisch regierte Frankfurt am Main ein groß angelegtes Wohnbauprogramm startete, machte es mit Ernst May einen Protagonisten des Neuen Bauens zum Stadtrat für Bauwesen. Zu Mays Team gehörte auch Schütte-Lihotzky, deren politische Einstellung sich in Frankfurt radikalisierte. Sie nahm Architektur in erster Linie nicht mehr als ästhetische, sondern als soziale Aufgabe wahr. Als Ernst May 1930 eine Einladung in die Sowjetunion erhielt, um Städte zu bauen, kam sie mit.
Ausführlich geht das Buch auf die Zeit im Widerstand ein, die begann, als Schütte-Lihotzky 1940 nach Wien zurückkehrte und sich den Kommunisten anschloss. Nach ihrer Enttarnung verbrachte sie vier Jahre in Gefängnissen, die sie später in dem Buch „Erinnerungen aus dem Widerstand“ schildern wird. Mit ihrer Befreiung 1945 begann das lange letzte Kapitel im Leben der Architektin, das dem Nachkriegsösterreich kein gutes Zeugnis ausstellt. Als KPÖ-Mitglied blieb sie von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen. Auch hier bemüht sich die Biografin Horncastle um Sachlichkeit und notiert den problematischen Dogmatismus. Bis zuletzt blieb Schütte-Lihotzky eine gläubige Kommunistin.