Tiefe Wasser

416 Seiten, Taschenbuch
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Reihe detebe
ISBN 9783257245752
Erscheinungsdatum 09.12.2020
Genre Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Verlag Diogenes
Übersetzung Nikolaus Stingl
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Diogenes Verlag AG
Sprecherstrasse 8 | CH-8032 Zürich
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Kurzbeschreibung des Verlags

Vic und Melinda scheinen ein Traumpaar zu sein. Doch tatsächlich sind sie so sehr füreinander bestimmt, dass nichts sie mehr voreinander retten kann. Damit Melinda ihn nicht verlässt, gestattet ihr Vic, auch mit anderen Männern zu schlafen. Womit er nicht gerechnet hat? Mit sich selbst.

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FALTER-Rezension

Swimmingpool und Schneckensex

Klaus Nüchtern in FALTER 26/2021 vom 02.07.2021 (S. 34)

Hortense und Edgar waren am Schmusen; Edgar beugte sich von einem kleinen Stein herunter, um Hortense auf den Mund zu küssen, und Hortense […] schwankte leicht unter seiner Liebkosung, wie ein von der Musik verzauberter, langsamer Tänzer.“

Das ist nicht nur die mit Abstand zärtlichste Passage aus „Tiefe Wasser“, sondern überhaupt – so Paul Ingendaay im Nachwort, der „längste Liebesakt, den das Werk von Patricia Highsmith kennt“. Bemerkenswert daran ist, dass es sich bei Hortense und Edgar um Schnecken handelt, für die Victor Van Allen, 36, eine besondere Zuneigung empfindet, die weniger getrübt ist als die zu seiner Frau: „Es gab kein Wort für das, was er für Melinda empfand, für diese Mischung aus inniger Zuneigung und Abscheu.“

Ambivalenz ist wohl ein Schlüsselbegriff für Highsmiths fünften, 1957 erschienenen Roman. Schnecken sind bekanntlich Hermaphroditen, die den weiblichen oder den männlichen Part übernehmen können, und auch die Rollenaufteilung im Hause der Van Allens steht quer zu den Konventionen: Die haushälterischen Aktivitäten von Melinda beschränken sich weitgehend auf das Auftauen von Steaks, wohingegen der Gatte nicht nur putzt und kocht, sondern sich auch um die Erziehung und Bespaßung der gemeinsamen Tochter Trixie kümmert, die seitens Melinda mit mütterlicher Zuwendung nicht eben überschüttet wird.

„Tiefe Wasser“ ist ein höchst eigenartiger Zwitter aus Kriminal-, Ehe- und Kleinstadtroman. Jahre bevor Richard Yates und John Cheever mit Meisterwerken wie „Zeiten des Aufruhrs“ (1961) oder „Die Lichter von Bullet Park“ (1969) Suburbia als giftiges Biotop entdeckten, in dem Neurosen und Ehebruch gedeihen und die Vorstadt-Fadesse mit Cocktails und anderen aufhellenden Substanzen energisch bekämpft wird, hat Highsmith dieses Milieu zwischen Partylaune und Sozialkontrolle für die Fiktion fruchtbar gemacht.

So wenig wie bei ihren beiden Kollegen aber gerät ihre Bestandsaufnahme einfach zum Anti-Kleinstadtroman, der sein Personal bloßstellt und entlarvt. Dem Skurrilen, Erratischen und Bizarren wird breiten Raum gegeben, aber es gibt keinen souveränen Blickpunkt, von dem aus eine objektive Einordnung der geschilderten Vorkommnisse möglich wäre. Stattdessen beschränkt sich Highsmith auf die Perspektive ihres Protagonisten und unterzieht ihre Leserschaft damit einem veritablen Test in Sachen Ambiguitätstoleranz. Schon der erste Satz hat es in sich. Seine gehäuften Negationen würden so manchen selbsternannten Stilpolizisten auf den Plan rufen, tatsächlich aber ist er ein wunderbares Beispiel für Highsmiths hinterfotzigen Humor: „Vic tanzte nicht, allerdings nicht aus den Gründen, die sich die meisten Nichttänzer dafür zurechtlegen. Er tanzte schlicht deshalb nicht, weil seine Frau gern tanzte.“

Melinda tanzt und trinkt nicht nur gerne, sondern zeigt auch keinerlei Neigung, den einigermaßen sportlich betriebenen Ehebruch, mit dem sie Vic zum „Hahnrei Nummer eins von Little Wesley“ macht, auch nur durch eine halbherzig praktizierte Form der Diskretion einzuhegen – ob aus Dreistigkeit, Dummheit oder schierem Sadismus, ist so schwer zu entscheiden wie die Frage, ob die „Engelsgeduld“ des gehörnten Gatten aus Naivität, Indolenz oder genuiner Generosität erwächst. Wobei diese ohnehin ihre Grenzen hat. Als ihm ein betrunkener Verehrer Melindas zu seiner Gelassenheit gratuliert, antwortet Vic trocken, dass er im Bedarfsfalle Nebenbuhler einfach umbrächte: „Sie erinnern sich doch noch an Malcolm McRae, oder?“

Nun hatte besagter Malcolm tatsächlich ein Auge auf Melinda geworfen und war wenig später ermordet worden. Zwar nicht von Vic, aber das kann zu diesem Zeitpunkt – der unbekannte Täter ist noch auf freiem Fuß – niemand wissen. Die Geschichte macht die Runde, es wird getuschelt, und in Little Wesley bilden sich Fraktionen. Die Mehrheit traut einem so kultivierten und beliebten Bürger – Vic betreibt eine Druckerei, die unter anderem bibliophile zweisprachige Lyrikausgaben verlegt – eine solche Tat nicht zu. Als allerdings kurz darauf ein in Melindas erotischen Orbit geratener Barpianist in dem Swimming Pool ertrinkt, in dem er sich kurz davor noch mit Vic unterhalten hat, verdichten sich die Verdachtsmomente, und Melinda bezichtigt ihren Ehemann offen des Mordes.

Neben dem vergleichsweise seichten Pool gibt es auch noch einen wesentlich tieferen Baggersee, in dem, immer auf Augenhöhe der Leserschaft, eine Leiche versenkt wird. Mit dem „Deep Water“ (so der Originaltitel) ist aber natürlich in erster Linie der Protagonist gemeint – ein sich selbst nicht recht durchsichtiger Charakter, der einem mit fortschreitender Lektüre zusehends weniger geheuer wird, der aber auch über durchaus gewinnende Eigenschaften verfügt. Er ist zum Beispiel ein begnadeter Walzertänzer und im Unterschied zu seiner sichtlich nicht allzu lichten Gattin ein Mensch von großer Schlagfertigkeit (pun intended) und lakonischem Witz. Als Melinda sich an einen Bauunternehmer ranwirft, weckt dieser ein unerwartetes Interesse in ihr: „Findest du Grundwasserspiegel nicht auch faszinierend? […] Tony hat mir erklärt, wie man falsche von echten unterscheiden kann. Ich meine in bezug auf Bodenerhebungen.“ „Jede Art von Boden hat ihren Grundwasserspiegel“, antwortet Vic trocken. „Auch in der Sahara gibt es einen Grundwasserspiegel, er liegt nur ziemlich tief.“

Deep waters, indeed.

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