

Hamdrahn in Hietzing
Julia Kospach in FALTER 42/2021 vom 20.10.2021 (S. 16)
In Constanze Scheibs „Der Würger von Hietzing“ hat neben den Ermittlerinnen das Wienerische einen Bombenauftritt
Die Klatschpresse findet schnell einen Namen für den Serienmörder, der im 13. Wiener Gemeindebezirk alleinstehende, ältere Damen in ihren Häusern ausraubt und stranguliert. Entsprechend lautet auch der Titel des Krimidebüts der Wiener Autorin und Schauspielerin Constanze Scheib „Der Würger von Hietzing“.
Man schreibt das Jahr 1972. In der Staatsoper inszeniert fleißig Otto Schenk („als ob die keinen anderen finden“), Karl Schranz wird bei seiner Rückkehr aus Sapporo am Ballhausplatz wie der Heiland empfangen, die Gründung eines neuen „Ministeriums für Gesundheit und Umweltschutz“ sorgt für Unverständnis und „gnä’ Frau“ ist eine noch weithin gebräuchliche Anrede.
Und genau eine solche „gnä’ Frau“ hat sich Constanze Scheib auch zur Amateur-Ermittlerin erkoren. Helene Ehrenstein ist eine höhere Hietzinger Tochter Anfang 30 mit steinreichem Ehemann und einer großen Villa voller Tradition und uniformiertem Personal. Fadesse, Zufall und ein Faible für Agatha-Christie- und Edgar-Wallace-Verfilmungen bringen sie auf die Idee, ihre Nase nicht nur ins Whiskey-Glas, sondern auch in die Würger-Ermittlungen zu stecken; zumal die Tante eines ihrer Dienstmädchen zu den Mordopfern zählt.
Die Verstrickungen und Verwicklungen, die folgen, sind zahlreich. Es geht um Hehlerei, Bassenaklatsch und einen zugeknöpften Polizei-Hofrat ebenso wie um Hippie-Kommunen, Favoritener Hinterhof-Festln oder verdächtige Immobiliengeschäfte.
Vor allem aber geht es um ein Schnüfflerinnen-Duo, welches die Autorin nach einem Wienerischen Cervantes-Modell aus Herrin und Dienstmädchen zusammenfügt, wobei das soziale Gefälle jede Menge Witz und Handlungsimpulse hervorbringt. Streetwise ist in dieser Doppel-Konstellation natürlich vor allem das Dienstmädchen, während die „gnä’ Frau“ im Lauf der Geschichte Gelegenheit erhält, eine persönliche Entwicklung durchzumachen.
Eigentlicher Star dieser spannend-verspielten Kriminalgeschichte sind aber die Dialoge und das Wienerische in all seinen farbenprächtigen Spielarten. Dass der Schweizer Kampa-Verlag auf ein Glossar am Buchende verzichtet hat, ist zwischen „rumsudern“, „Oasch kräulen“, „Wappler“, „Budel“, „tramhappert“, „Kölch“ oder „abschaseln“ zumindest erstaunlich. Sprachlich Eingeweihten aber geht das Herz über vor Vergnügen, und ein kleiner Cliffhanger am Ende lässt darauf hoffen, dass Constanze Scheib ihre „gnä’ Frau“ als Serien-Ermittlerin anlegt. Leiwand!