Brasilien

Der Traum vom Aufstieg
208 Seiten, Hardcover
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ISBN 9783312005796
Erscheinungsdatum 30.09.2013
Genre Sachbücher/Geschichte/Regionalgeschichte, Ländergeschichte
Verlag Nagel & Kimche
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Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH
info@harpercollins.de
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Kurzbeschreibung des Verlags

Brasilien ist riesig, reich und will die neue Supermacht sein. Der Reporter und Wahlbrasilianer Ruedi Leuthold reist durch das gewaltige Land mit seinen unterschiedlichen Geschwindigkeiten und unglaublichen Widersprüchen, und er versucht der rätselhaften Kraft auf die Spur zu kommen, die das Land und seine Menschen zusammenhält. Er interviewt die Megareichen und die Mittellosen und erlebt den entspannten Umgang mit einer unmöglichen Welt. Armut und Korruption gibt es immer noch, am Ende befindet Leuthold jedoch, dass westliche Kategorien wenig dazu taugen, Brasilianer und ihre ansteckende Lebenslust zu verstehen. Ein Erlebnisbericht über ein staunenswertes Land und den Alltag seiner heterogenen Gesellschaft.

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FALTER-Rezension

Land der Gegenwart und Gegensätze

Karin Chladek in FALTER 41/2013 vom 11.10.2013 (S. 38)

Brasilien: arm, aber optimistisch. Ruedi Leuthold und Verena Meier erklären das fünftgrößte Land der Welt

Ruedi Leuthold ist ein renommierter Journalist und Dokumentarfilmer, der seit einigen Jahren in Rio de Janeiro lebt. In seinem neuen Buch erzählt er in Reportagen vom Alltag der Menschen im Brasilien von heute, einem Riesenland, das von sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten und unglaublichen Gegensätzen geprägt ist.
Es wäre stark untertrieben, Brasilien ein heterogenes Land zu nennen. ­Ruedi Leuthold ist auf der Suche nach dem Grund, warum sich die meisten Menschen in Brasilien offenbar glücklich fühlen, in einem Land, das nach wie vor von großen sozialen Ungerechtigkeiten geprägt ist und, so Leuthold, "vom Idealzustand der Demokratie etwa so weit entfernt wie ein Bordell vom Kloster".

Die Lüge vom Glück
Der Reporter sucht nach einem verbindenden Element, nach etwas, was Brasilianerinnen und Brasilianer mehrheitlich eint, in einem Land, das wirtschaftlich aufstrebt wie nie zuvor in seiner Geschichte. Dazu interviewte er Reiche und Arme, Richterinnen und Hausmeister, skalpierte Frauen im Amazonasgebiet und Drogendealer ebenso wie wohlhabende Witwen und deren Dienerinnen in Rio oder Dramaturgen der berühmten Sambaschulen.
Was er herausfand, fasste einer seiner Interviewpartner so zusammen: Die kleine Lüge, unter allen Umständen glücklich, fröhlich und gut aufgelegt zu sein, gehört ebenso zum Brasilianertum wie eine gewisse Spontaneität und die ständige Selbstversicherung, im besten Land der Welt zu leben.
Dies mache auch weltweite Umfragen verständlich, in denen sich Brasilianer regelmäßig zu den glücklichsten Menschen erklären. Niemand würde zugeben, unglücklich zu sein. Brasilianer seien klassische Optimisten, die Probleme gerne verdrängten. Außerdem sähe man in Brasilien in einem Fremden eher einen potenziellen Geschäftspartner (den man bei Gelegenheit natürlich auch übers Ohr hauen könne) als einen Feind.

Der harmlose Betrug
Auch deshalb sei der öffentliche Umgang miteinander in Brasilien tendenziell friedlich und freundlich. Die andere Seite der Medaille sei das "Jeitinho", der harmlose Betrug, die ständige Trickserei, die erpresserische Umarmung. Politik in Brasilia funktioniere nicht anders als auf dem Marktplatz: viel Geschrei, eine kleine Erpressung, die erlösende Umarmung.
Dessen habe sich auch die allseits bewunderte Regierung des Ex-Gewerkschaftlers Lula da Silva schuldig gemacht, die, anstatt das Land mithilfe des Drucks der Straße grundsätzlich zu verändern, die Stimmen der konservativen Opposition und damit der seit Jahrhunderten tonangebenden Oligarchen kaufte und die seit langem verbreitete Korruption in der brasilianischen Politik so fortsetzte.
Diese Inkonsequenz einer ansonsten weltweit bewunderten, fortschrittlichen Regierung, die mithilfe umfangreicher Sozialprogramme Millionen von Menschen aus der Armut holte, war es letztendlich, die die angesehene Umweltministerin Marina Silva zum Rücktritt veranlasste, ebenso wie der Umgang der Regierung mit dem Regenwald.
Dass viele Brasilianer ähnlich denken wie Marina Silva, zeigen die knapp 20 Prozent, die sie bei den folgenden Wahlen als "grüne" Kandidatin bekam. Der städtisch geprägte ehemalige Gewerkschaftler Lula hatte kein Verständnis für ökologische Anliegen und die Lebensrealität der "Indios", ebenso wenig wie seine Nachfolgerin Dilma Rousseff, die als ehemalige Energieministerin den weltweit höchst umstrittenen Bau des Riesenwasserkraftwerks Belo Monte genehmigte.
Ruedi Leuthold entzaubert das Riesenland Brasilien in seinen Reportagen aber nicht, ganz im Gegenteil. Egal, ob er eine couragierte Richterin am Amazonas porträtiert, die mit einem von ihr initiierten "Justizschiff" Gerechtigkeit auch in entlegene Regionen bringt, oder ob er der Leserschaft Copan vorstellt, den größten Gebäudekomplex der Welt, der in São Paulo eine Welt für sich bildet – immer wird Leutholds Bewunderung für die Menschen deutlich, die sich oft in widrigsten Umständen behaupten und dabei weder ihren Stolz noch ihr Lächeln verlieren.

Fakten und Analysen
Die Wirtschaftsgeografin Verena Meier, ebenso wie Leuthold aus der Schweiz, liefert in "Brasilien – das Land der Gegenwart" die harten Fakten über Brasiliens Geschichte, Gesellschaft und Wirtschaft und kommt in deren Analyse oft zu ähnlichen Erkenntnissen wie Leuthold. Etwa jener, dass die Idee und der Ehrgeiz, Brasilien könne zu einem weltweit angesehen "großen Land" werden, alt sei.
Diese Idee kam bereits im frühen 20. Jahrhundert auf und manifestierte sich vor mehr als 50 Jahren im Bau der modernistischen Hauptstadt Brasilia, die im Landesinneren praktisch aus dem Boden gestampft wurde.
Meier erklärt, warum in den letzten 20 Jahren nach Definition der Weltbank rund 45 Millionen Brasilianer aus der Armut in die untere Mittelschicht (die sogenannte "Klasse C") aufsteigen konnten; warum das brasilianische Konsumwunder auch millionenfache Verschuldung bedeutet; warum zwar Brasilien schon Anfang 2012 Großbritannien als sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt ablöste, wobei aber das durchschnittliche Jahres-pro-Kopf-Einkommen in Großbritannien 43.700 US-Dollar betrage, in Brasilien aber nur rund 8300 Dollar.
Das Durchschnittseinkommen, wohlgemerkt, in einem Land, in dem die Unterschiede zwischen Arm und Reich immer noch extrem sind. Laut Meier hat das ärmste Zehntel der brasilianischen Bevölkerung weniger als ein Prozent des Nationaleinkommens zur Verfügung, das reichste Zehntel nimmt dagegen 43 Prozent davon für sich in Anspruch.

Entwicklungsland adé
Auch die Geburtenraten – ein guter Indikator für Bildung und Wohlstand – klaffen auseinander: 2010 lagen sie im armen ländlichen Norden Brasiliens bei 2,8 Kindern pro Frau, im reichen städtischen Süden dagegen bei 1,67 Kindern pro Frau. Da knapp 85 Prozent der Brasilianer inzwischen in urbanen Räumen leben und ihr Anteil an der Bevölkerung immer größer wird, passe das Klischee von Entwicklungsland und "Bevölkerungsexplosion" im Zusammenhang mit Brasilien absolut nicht, so Meier.
Sie betont zudem, dass der Aufbau der brasilianischen Bevölkerung in den ersten Dekaden des 21. Jahrhunderts in ökonomischer Hinsicht sehr günstig sei: Das Verhältnis von Menschen im Erwerbsalter zu denen, die nicht oder nicht mehr erwerbstätig sein können, ist optimal. Die Probleme, die sich für Europa wegen seiner alternden Gesellschaften ergeben, hat Brasilien einfach noch lange nicht. Weil die aktuelle Müttergeneration groß ist und die Menschen auch in Brasilien immer älter werden, wächst die Bevölkerung vorläufig weiter.
Während das erste milagre economico, das Wirtschaftswunder Brasiliens in den späten 1960er- und frühen 1970er-Jahren, ganz an der Nachfrage der damaligen Mittel- und Oberschicht orientiert war und die Militärregierung keine Anstrengungen unternahm, die arme Bevölkerungsmehrheit einzubinden, bemühte sich die Regierung der Arbeiterpartei unter Lula da Silva, durch groß angelegte Sozialprogramme so viele Menschen wie möglich aus der Armut zu holen.

Die Ziele der Zukunft
Diese Bemühungen waren bekanntlich erfolgreich und führten zum Wahlsieg von Lulas Nachfolgerin Dilma Rousseff. Unter den sogenannten BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) kommt Brasilien die Rolle des Rohstoff- und Lebensmittellieferanten zu. Das ist ökonomisch und vor allem ökologisch riskant.
Präsident Lula legalisierte den Anbau von Gen-Soja, was damit erklärt wird, dass China als Absatzmarkt wichtiger geworden ist als das Gentechnologie-kritische Europa. Auf jeden Fall wurde Brasilien damit noch abhängiger von der internationalen Agrochemie und gefährdet durch die Ausweitung der riesigen Anbauflächen zunehmend den Regenwald und die Existenz der Indigenen und Kleinbauern.
Wie Meier betont, regt sich in Brasilien selbst zunehmend Widerstand gegen soziale Ungerechtigkeit, wie erst im Juni 2013 große Demonstrationen zeigten, die international Schlagzeilen machten. Die Preiserhöhungen im öffentlichen Verkehr, auf den viele Brasilianer angewiesen sind, waren nur der Anlass.
Auch Umweltschutz im eigenen Land wird bei jungen Brasilianern populärer; so formiert sich auch in den Städten Widerstand gegen den Bau des Wasserkraftwerks Belo Monte. Die Knackpunkte, an denen Brasilien immer noch arbeiten muss, um ein gerechteres Land für alle Bewohner zu werden, spricht Verena Meier direkt an: Land- und Justizreform.
Mehr Wohlstand und Bildung für mehr Menschen, die sich nun besser artikulieren können, wo der alltägliche Überlebenskampf nicht mehr im Vordergrund steht, haben das Land diesen Zielen vielleicht näher gebracht.

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