Dämmerung

Roman. "Michael Kleeberg ist es gelungen, aus dem Leben einer Figur das Abbild einer Epoche zu erschaffen“. (Der Spiegel, Tobias Rapp)
480 Seiten, Hardcover
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ISBN 9783328600114
Erscheinungsdatum 30.08.2023
Genre Belletristik/Erzählende Literatur
Verlag Penguin
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Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH
Neumarkter Straße 28 | DE-81673 München
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Kurzbeschreibung des Verlags


Die Bilanz eines unverwechselbaren und doch eine ganze Epoche repräsentierenden Lebens


Nach »Karlmann« und »Vaterjahre« – der Höhepunkt von Michael Kleebergs Romankunst
Karlmann will’s noch mal wissen. Obwohl in die Jahre gekommen, zählt er sich) keineswegs zum alten Eisen. Jetzt, zu seinem 60sten, lädt er zur großen Sause. Und er zieht Zwischenbilanz, wie eh und je mit süffisantem Eigensinn, frei von Sentimentalität und nach wie vor nicht willens, klein beizugeben. Das, was sich für ihn wie eine zweite Jugend anfühlt, ist vom Gedanken an Unwiederbringliches überschattet. Doch gegen die Übermacht der Gefühle hat Charly Renn sich schon immer zu wappnen gewusst. Das ist auch bitter nötig. Denn sein Selbstbild wird nicht nur in der Corona-Zeit auf eine harte Probe gestellt, sondern auch in der des Abschiednehmens vom sterbenden Vater und in der Konfrontation mit den eigenen Kindern, die längst ihre eigenen Wege gehen. So nimmt er ein letztes Projekt in Angriff, eins, das ihm noch einmal all seine Steherqualitäten abverlangt. In einer Hamburger Kultureinrichtung wird er zum Aktivisten wider Willen, nur um am Ende festzustellen, dass eine neue, eine völlig andere Zeit angebrochen ist, die nicht mehr viel mit ihm zu tun hat.Im dritten und letzten Teil der »Karlmann«-Trilogie, die viele Jahrzehnte bundesrepublikanischer Gesellschaft erzählt, zeigt Michael Kleeberg seinen Protagonisten nun im reizvollen Licht der Dämmerung.

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FALTER-Rezension

Ein Jüngling von 60 Jahren

Jörg Magenau in FALTER 42/2023 vom 20.10.2023 (S. 18)

Zu seiner Romanfigur Karlmann Renn, genannt Charly, unterhält Michael Kleeberg ein besonders intensives Verhältnis. Mehr als 16 Jahre und über drei Romane hinweg hat Charly ihn begleitet und ihm – oder vielmehr dem Erzähler – dabei als „Bohrmeißel“ gedient, der „sein Leben in den Stollen der Zeit hineingefräst hat“, wie Kleeberg schreibt. Charly ist ein Seismograf der bundesdeutschen Geschichte von den 80er-Jahren bis in die unmittelbare Gegenwart, ein Macher und Macho, ein Mann der Wirtschaft und des Geldes, der zunächst im Autohandel tätig ist, dann ein Hamburger Kontorhaus vor dem Ruin rettet, der heiratet, ohne deshalb aufzuhören, nach Frauen Ausschau zu halten und nach der Ehe auch zahlreiche Liebschaften in den Sand setzt.

Nach „Karlmann“ aus dem Jahr 2007 und „Vaterjahre“ von 2014 liegt nun mit „Dämmerung“ der dritte Teil der Trilogie vor. Kleeberg hat diesen abschließenden Band „im Gedenken der gemeinsamen Jahre“ seiner Romanfigur gewidmet, so sehr ist Charly ihm ans Herz gewachsen. Er mutet ihm allerdings auch einiges zu – bis hin zur fulminanten finalen Demontage.

Am Ende wird Charly, der, ohne zu wissen, wie ihm geschah, Leiter eines Hamburger Kulturhauses geworden ist, zum Opfer eines Shitstorms wegen einer angeblichen sexuellen Übergriffigkeit. Er verliert sein Ehre und seinen Job, zieht sich ins Schweizer Exil zurück und wird dort auch vom Erzähler in den Ruhestand verabschiedet. Nachdem der Zeitgeist ihn ausgespien hat, ist es auch mit seiner Rolle als Repräsentant seiner Zeit vorbei. Die Jüngeren, die ihm nachfolgen, versteht er so wenig wie sie ihn, lebt doch jede Generation in ihrem eigenen Universum.

Am Anfang von „Dämmerung“ feiert Charly Renn seinen 60. Geburtstag. Alle sind gekommen: alte Schulfreunde, Arbeitskollegen, Bekanntschaften aus dem Golfclub, Familienangehörige, Freundinnen und die aktuelle Geliebte. Nur die Exfrau Heike und die beiden Kinder fehlen. Viele der Anwesenden hat Charly lange nicht gesehen, und so fällt ihm vor allem auf, wie sehr sie gealtert sind. 60 zu sein bedeutet, mit der Vergänglichkeit und körperlichem Verfall konfrontiert zu werden, und zwar vor allem mit dem der anderen. Sie alle gehören einer Generation an, die sich dem Erwachsenwerden verweigert.

Kleeberg seziert in diesem Kapitel das verbindende Grundgefühl ewiger Jugendlichkeit: „Die Jugend ist das Paradies. Und aus diesem Paradies hat uns nichts je wirklich vertreiben können, auch nicht das Alter. […] Die grauen Haare sind Perücken, die Falten sind aufgemalt, die Fettpolster sind Kissen, die Krankheiten sind reparierbare technische Defekte. Und alle hier haben die Mittel, obwohl die Garantiezeit lange abgelaufen ist, die Mechaniker und Ersatzteile zu bezahlen.“

Michael Kleeberg liefert die boshaft-präzise Studie einer selbstvergessenen Generation. Das Geburtstagskapitel reicht mit Rückblenden zu Charlys Ehe und den auf die Exfrau Heike folgenden Geliebten pH1 bis pH5 – wobei pH für „Post Heike“ steht – über 170 Seiten. Das ist furios erzählt, glänzend geschrieben, voll entlarvender Beobachtungen.

Man merkt, dass Kleeberg als Übersetzer aus dem Französischen viel bei Marcel Proust gelernt hat, dessen kapriziöse Distinguiertheit jedoch durch die Lektüre amerikanischer Romane von John Updike oder Philipp Roth mit ironischer Grobheit gegerbt hat, wobei die Instanz des Erzählers wie ein Geist über allen Wassern der Geschichte schwebt. Er mischt sich mal in der Ich- oder Wir-Form ein, spricht seine Figur direkt an, scheut aber auch nicht die Rolle des allwissenden Erzählers, der Charlys Gedanken als innere Monologe wiedergibt. Er, den Kleeberg einmal als „Erzählplasma“ bezeichnet hat, ist überall und kann alles. Wenn es der Wahrheitsfindung dient, kann er sogar die Zeit anhalten.

Den Stillstand der Corona-Jahre erfasst Kleeberg meisterlich, indem er ein Kapitel einschiebt, in dem es darum geht, die Ereignislosigkeit auszuhalten. Es beginnt mit einer Beschreibung des Frühlings mit Vogelgezwitscher und Blütensymphonien, der im Jahr 2020 vielleicht deshalb so überaus herrlich unter einem kristallklaren Himmel leuchtete, weil sonst so wenig passiert ist. Von da aus steigert sich die Stimmung in den auf sozialen Medien von Verschwörungsanhängern angeheizten Irrsinn.

Krause Theorien, absurde Ängste und demonstrative Ignoranz höhlen allmählich jede faktenbasierte Wahrheit aus, bis sogar der gute Charly nicht mehr weiß, woran er sich halten soll. Genauer ist über die Corona-Zeit und ihre Befindlichkeiten noch nicht geschrieben worden. Kleeberg verteilt die unterschiedlichen Positionen auf verschiedene Figuren, darunter Charlys 180 Kilogramm schwerer Personal Trainer, der das Virusgeschehen für einen großen Fake hält. Gestorben wird doch schon immer. Also: Was soll’s?

Überhaupt die Porträts, all die Figuren, die im Lauf des Romans auftauchen und sich zum Gesellschaftspanorama addieren: die Bischöfin mit der „eigenartig verklumpten Legierung aus Religiosität und Egozentrik“ etwa, die die Rede bei der Beerdigung von Charlys Vater hält; die in einer drogenverhangenen Pubertät verloren gehende Tochter Luisa oder die schöne, türkischstämmige Mitarbeiterin im Hamburger Lessinghaus, mit der Charly notorisch flirtet.

Michael Kleeberg hat mit „Dämmerung“ einen ebenso klugen wie komischen, so einfühlsamen wie mitleidlosen, so ausschweifenden wie exakt komponierten Gesellschaftsroman geschrieben. Schwer zu verstehen, dass der es nicht einmal auf die Longlist für den Deutschen Buchpreis geschafft hat, gehört die zeitdiagnostische Karlmann-Trilogie doch zum unverzichtbaren Bestand der Gegenwartsliteratur.

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