

Gerlinde Pölsler in FALTER 12/2024 vom 20.03.2024 (S. 28)
Nein, der Osterhase ist kein Überbleibsel antiker Frühlingsfeiern, wie manche denken. Früheste Spuren führen ins barocke (deutsche) Volksbrauchtum. Das Bemalen von Hühnereiern dagegen hat seine Wurzeln bei frühen orthodoxen Christen. In Erinnerung an den Kreuzestod Christi färbten sie die Eier blutrot. Erst im mittelalterlichen Norden, der heidnische Gabenbräuche mit christlicher Mythologie verband, wurde Ostern zum bunten Eierfest.
Die britische Anthropologin Sally Coulthard erzählt in "Am Anfang war das Huhn" von der uralten Beziehung zwischen Mensch und Federvieh. Domestizierte Hühner, allesamt Abkömmlinge einer einzigen ostasiatischen Art, waren jahrtausendelang eher als Kampfhähne und lustige Haustiere denn als Nahrungslieferanten bedeutend. Obwohl schon die alten Römer ihre Haltung rationalisierten, spielten sie in der Ernährung bis zur Industrialisierung der Landwirtschaft im 20. Jahrhundert eine Nebenrolle.
Heute sind "Nutzhühner" technokratisch optimierte Krüppelwesen, die nach wenigen Wochen geschlachtet werden -kurz bevor sie ohnehin an der eigenen Mastmasse sterben würden. Ihre engsten wilden Verwandten, die Kammhühner, werden bis zu zehn Jahre alt. Der Mensch hat das Huhn, den nächsten noch lebenden Verwandten der Dinosaurier, zu rechtlosen Fleischmaschinen degradiert. Dabei besitzen diese Tiere überraschend hohe kognitive Fähigkeiten, sie bilden ein komplexes Sozialleben aus, kommunizieren und empfinden differenziert und können sogar ein wenig schauspielern. "Man hat ein Repertoire von mindestens zwei Dutzend unterschiedlicher Töne und eine ganze Reihe unterschiedlicher Gesichtsausdrücke nachgewiesen", schreibt Coulthard.
Die Autorin besitzt die seltene Gabe, eine Fülle an Aspekten so charmant und klug zu erzählen, dass man gleichermaßen informiert wie verführt wird -in diesem Fall dazu, ein lange Zeit gering geschätztes Geschöpf achten zu lernen.
Mensch und Huhn: eine uralte Gemeinschaft
Sebastian Kiefer in FALTER 12/2024 vom 20.03.2024 (S. 28)
Nein, der Osterhase ist kein Überbleibsel antiker Frühlingsfeiern, wie manche denken. Früheste Spuren führen ins barocke (deutsche) Volksbrauchtum. Das Bemalen von Hühnereiern dagegen hat seine Wurzeln bei frühen orthodoxen Christen. In Erinnerung an den Kreuzestod Christi färbten sie die Eier blutrot. Erst im mittelalterlichen Norden, der heidnische Gabenbräuche mit christlicher Mythologie verband, wurde Ostern zum bunten Eierfest.
Die britische Anthropologin Sally Coulthard erzählt in "Am Anfang war das Huhn" von der uralten Beziehung zwischen Mensch und Federvieh. Domestizierte Hühner, allesamt Abkömmlinge einer einzigen ostasiatischen Art, waren jahrtausendelang eher als Kampfhähne und lustige Haustiere denn als Nahrungslieferanten bedeutend. Obwohl schon die alten Römer ihre Haltung rationalisierten, spielten sie in der Ernährung bis zur Industrialisierung der Landwirtschaft im 20. Jahrhundert eine Nebenrolle.
Heute sind "Nutzhühner" technokratisch optimierte Krüppelwesen, die nach wenigen Wochen geschlachtet werden -kurz bevor sie ohnehin an der eigenen Mastmasse sterben würden. Ihre engsten wilden Verwandten, die Kammhühner, werden bis zu zehn Jahre alt. Der Mensch hat das Huhn, den nächsten noch lebenden Verwandten der Dinosaurier, zu rechtlosen Fleischmaschinen degradiert. Dabei besitzen diese Tiere überraschend hohe kognitive Fähigkeiten, sie bilden ein komplexes Sozialleben aus, kommunizieren und empfinden differenziert und können sogar ein wenig schauspielern. "Man hat ein Repertoire von mindestens zwei Dutzend unterschiedlicher Töne und eine ganze Reihe unterschiedlicher Gesichtsausdrücke nachgewiesen", schreibt Coulthard.
Die Autorin besitzt die seltene Gabe, eine Fülle an Aspekten so charmant und klug zu erzählen, dass man gleichermaßen informiert wie verführt wird -in diesem Fall dazu, ein lange Zeit gering geschätztes Geschöpf achten zu lernen.