

Mangiare, mangiare: Ein gefundenes Fressen
Oliver Hochadel in FALTER 47/2024 vom 22.11.2024 (S. 32)
Nein, der Appetit auf italienisches Essen vergeht einem nach der Lektüre von "Mythos Nationalgericht" nicht. Aber beim nächsten Mal Parmesanreiben oder Spaghetti-Bolognese-Verputzen denkt man doch an "Die erfundenen Traditionen der italienischen Küche", so der Untertitel des vergnüglich-lehrreichen Buches von Alberto Grandi. All die kulinarischen Klassiker von kaltgepresstem Olivenöl über Panettone bis Parmaschinken gehen keineswegs, wie gern behauptet, auf "uralte" Herstellungsweisen zurück, sondern sind im Wesentlichen in den 1970er-und 1980er-Jahren, nun ja, erfunden worden. Als Antwort auf die Wirtschaftskrise versuchte man, "durch Ursprungsbezeichnungen und Schutzsiegel einen Zusammenhang zwischen Ware und Herkunftsgebiet" herzustellen.
Urkomisch beschreibt Grandi, wie Marketingabteilungen und Tourismusmanager seither Geschichte schamlos zurechtbiegen und konstruieren. Schon bei den Kelten, den Römern, im Mittelalter, spätestens aber seit der Renaissance sei dieser Speck und jener Käse nach altbewährtem Rezept produziert worden. Werbefloskeln beschwören das Lokale, das Handwerkliche, den Familienbetrieb, der schon seit Generationen Alles Geschwätz, sagt der in Parma lehrende Wirtschaftshistoriker Grandi. Es gehe hier nicht um Traditionen, sondern um knallharte wirtschaftliche Interessen -um die Schaffung eines Monopols.
Die Wahrheit ist: Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein kamen in Italien ganz andere Mahlzeiten auf den Tisch. Schmalhans war Küchenmeister. Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts verließen Millionen Italiener ihr Land, viele der "typisch italienischen" Gerichte wurden im Ausland erfunden und rückimportiert. Wen Spaghetti Carbonara an ein amerikanisches Frühstück erinnert, an Speck und Eier, der liegt richtig: Made in USA von italienischen Emigranten. Wer Grandi persönlich zuhören möchte: Am 22. November liest er bei der Buch Wien.
Italienische Küche? Alles Fake!
Sebastian Fasthuber in FALTER 46/2024 vom 15.11.2024 (S. 4)
Ja, darf denn der das? Der Wirtschaftshistoriker Alberto Grandi behauptet im Buch "Mythos Nationalgericht. Die erfundenen Traditionen der italienischen Küche", dass all die schönen, klassischen Speisen, deren korrekte Zubereitung zum Stolz Italiens beitragen, Fake sind. Vieles habe sich erst die Lebensmittelindustrie in den 1970ern ausgedacht und entsprechend vermarktet.
Zuhause braucht der Mann, der das Selbstverständnis des Landes mit seinen Ausführungen ins Wanken gebracht hat, inzwischen vermutlich Polizeischutz. In Wien kann er sich noch frei bewegen und die deutsche Übersetzung des Buches vorstellen.