
Kleines Handbuch der Liebe: So geht Freundschaft Plus
Christina Vettorazzi in FALTER 22/2024 vom 29.05.2024 (S. 30)
Wo liegt die Grenze? Seit 2011 gleich zwei Filme über freundschaftlichen Sex ins Kino kamen, rückt das Phänomen zusehends ins Zentrum gesellschaftlicher Aufmerksamkeit: Freundschaft Plus. Für viele Menschen ist Sex unter Freunden noch immer ein Tabu. Freundschaft sei platonisch, Liebe romantisch und erotisch. Queere Communities und Freiheitsliebende aller Altersgruppen heben die Trennung der beiden Beziehungsformen schon länger auf, doch tun sie dies meist heimlich. Ein Buch will nun erklären, warum Freunde einander lieben können, wollen und vielleicht sogar sollen.
Ole Liebl, geboren 1992, postet queerfeministische Erklärungsvideos auf Instagram, worin er etwa über "Gründe für Sexismus junger Männer" spricht. Sein Account zählt 43.000 Follower. Im Februar veröffentlichte der Berliner das Buch "Freunde lieben - Die Revolte in unseren engsten Beziehungen".
Der Titel ist ein wenig irreführend. Zwar legt Liebl den Fokus auf die freundschaftliche Verbundenheit, allerdings schreibt er auch über Liebe ganz generell. So enthält das Buch etwa eine kleine Geschichte der Ehe und ein Kapitel über das Datingverhalten in Zeiten von Plattformen wie Tinder.
"Freunde lieben" plädiert für die freie Liebe, gibt jedoch keiner Beziehungsform den Vorzug. Auch die monogame Ehe habe wirtschaftliche wie emotionale Qualitäten und spende manchen Partnern Freiheit. In der Offenheit liege nicht zwangsläufig das Glück. So führt der Autor auch Argumente gegen sexuelle Freundschaften an, wie etwa Eifersucht oder das Problem, dass die Beziehung leidet, wenn die Lust schwindet.
Freiheit ist somit nicht gleich Freiheit. Liebl konzipierte sein Buch als Überblick, der zeigen soll, was sein kann und darf. Die anfangs erwähnten Filme festigen das Monopol der monogamen Beziehung, indem sie diese als Happy End inszenieren. Für die Wahlfreiheit schreibt Liebl erfolgreich gegen die Tradition an.


