

Der Geschichtsblick nach vorne
Wolfgang Zwander in FALTER 12/2010 vom 26.03.2010 (S. 16)
Der 91-jährige Helmut Schmidt ist in Deutschland ein politischer Star, der für seine lakonische Analysekraft bewundert wird. Das war nicht immer so. In seiner Zeit als Bundeskanzler galt er als unterkühlter Technokrat. Das Buch "Unser Jahrhundert" vereint beide Seiten Schmidts. Das Gespräch mit dem Historiker Fritz Stern, 84, bietet einen Blick hinter die Kulissen von acht Jahren Regierungsmacht und zeigt Schmidts Talent für das ungeschminkte Wort. Die US-Neokonservativen seien "Rechtsradikale", mit Blick auf "Adolf Nazi" heißt es: "Die Deutschen bleiben eine verführbare Nation – in höherem Maße verführbar als andere." Auffallend ist neben Schmidts wohltuender Kaltschnäuzigkeit das Geschichtsbewusstsein der beiden alten Herren. Sie springen von Alexander dem Großen über Keynes zu Napoleon – und wieder zurück. Beide versichern, dass nur der Blick in die Geschichte jenen auf die Gegenwart schärfe.