

Thomas Ballhausen in FALTER 15/2012 vom 13.04.2012 (S. 38)
Die erotischen Gedichte von E.E. Cummings, eine kleine Auswahl aus seinem umfangreichen Werk, sind von heftiger Kräftigkeit und erfrischend unzimperlich. Mit Freude wird da auf Schößen "scharniert" oder neben- und aufeinander die Nacht verlängert – alles in atemloser Anbetung des "horizontalen geschäfts". Ganz der Avantgarde der Zwischenkriegszeit verschrieben, zelebriert Cummings erotischen Reiz und sexuelle Einlösung in Wortbildern, visuell aufgelösten Gedichten. Er jongliert kunstvoll und witzig mit Struktur und Semantik, mit Verlockung und Sinnverschiebung.
Monologe der Anbetung und Dialoge der Erfüllung, der gestammelten Anweisungen wechseln sich in dieser dringend empfohlenen zweisprachigen Ausgabe ab. Sie geben mehr als nur einen sehr fleischlichen Eindruck vom "herzgeplapper" dieses Virtuosen. Deutlich abgesetzt von traditioneller Formelhaftigkeit wird hier zu wiederholter Lektüre der Gedichte (und auch der Begehrten!) eingeladen. Cummings ist ein Verführer, dem man sich weder entziehen mag noch soll: "Hör den großen mund murmeln küssbittebitte".