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Kurzbeschreibung des Verlags
Im Frühjahr 1954 posierte André Malraux für einen Fotografen der Illustrierten Paris Match mit den ausgelegten Doppelseiten eines Kunstbildbandes. Dabei entstand eine Ikone der modernen Kulturgeschichte, die bis heute durch viele Bücher und Kataloge geistert. Im Rahmen einer Zimmerreise durch den mondänen Salon analysiert der Kunsthistoriker Walter Grasskamp Strategien der Selbstinszenierung dieses umstrittenen Autors und Politikers, um sich anschließend dem Buch zuzuwenden, das auf dem Boden liegt, Le Musée imaginaire de la sculpture mondiale ? ein imaginäres Museum der Weltkunst.
Vorbilder, Entwicklungsgeschichte und Wirkung der faszinierenden Idee eines imaginären Museums stehen dann im Mittelpunkt des Buches, das auch ein vergessenes Vorbild Malraux? vorstellen kann: Die fulminante Encyclopédie photographique de l?art, die der Fotograf André Vigneau zwischen 1935 und 1949 publiziert hatte. Mit dieser Wiederentdeckung wird der Vergleich verschiedener Modelle der frühen Kunstpublizistik möglich, unter denen der Münchner Anthologie Der Blaue Reiter der Rang eines Pionierunternehmens zukommt: 1912 suggerierte sie zum ersten Mal typografisch die neue und kontroverse Idee einer Weltkunst, der auch Malraux anhing und deren Blütezeit hier rekapituliert wird.
Der Münchner Kunsthistoriker Walter Grasskamp nimmt in seinem neuen Buch "André Malraux und das imaginäre Museum" ein berühmtes Magazinfoto unter die Lupe. Es zeigt den französischen Kunstschriftsteller und Kulturminister André Malraux (1901–1976), wie er in seinem Pariser Salon rauchend am Schreibtisch lehnt. Vor ihm auf dem Boden ausgebreitet sind die Seiten eines Kunstbuches: Malraux als lässiger Weltkunstkurator.
Der 1947 erschienene Band "Le Musée imaginaire" popularisierte die Gattung des reich bebilderten Kunstbuchs, des Museums zwischen zwei Buchdeckeln. Die deutsche Übersetzung des Bandes prägte im Nachkriegsdeutschland – und wohl auch in Österreich nach 1945 – die Vorstellung von moderner Kunst. Die erste Documenta 1955 in Kassel übernahm Malraux' ahistorische Bildkonfrontationen. Für das entnazifizierte Publikum war das Nebeneinander von "Negerplastiken" und Picasso eine Sensation.
Grasskamp zeigt, wie fantasievoll, man könnte auch sagen manipulativ, der Autor prähistorische Werke und abstrakte Skulpturen nebeneinandermontierte und so die Vorstellung einer universellen Weltkunst etablierte. Um die Vergleichbarkeit so unterschiedlicher Bildwerke herzustellen, arbeitete er mit gestalterischen Tricks.
Malraux forderte die Fotografen auf, die Objekte unter einheitlichem Lichteinfall aufzunehmen. Durch das Layout und suggestive Bildunterschriften erledigte er den Rest. Gewissenhafte wissenschaftliche Recherche war Malraux' Sache nicht, was ihm den Vorwurf des Scharlatanerie einbrachte.
Wie Grasskamp in seiner faszinierenden Studie über das Making-of der Nachkriegsmoderne nachweist, baute Malraux auf Vorbilder auf, die er verschwieg. So plagiierte er etwa die von André Vigneau herausgegebene "Encyclopédie photographique de l'art" (1935–1949), auch Spuren der Kunsttheorie von Walter Benjamin lassen sich nachweisen. Grasskamp gelingt eine Ehrenrettung: Malraux war ein Schelm – aber auch ein vorzüglicher Kompilator und Grafiker.