Hilal Sezgins Tierleben

Von Schweinen und anderen Zeitgenossen
176 Seiten, Hardcover
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ISBN 9783406666582
Erscheinungsdatum 22.08.2014
Genre Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Gesellschaft
Verlag C.H.Beck
Illustrationen Rotraut Susanne Berner
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Kurzbeschreibung des Verlags

In 53 wahren Geschichten berichtet Hilal Sezgin davon, wie unser Leben in allen vier Jahreszeiten von Tieren bestimmt ist - und wie wir über das Leben unzähliger Tiere bestimmen. Dabei erweist sie sich als eine scharfe Beobachterin und glänzende Erzählerin, deren Geschichten uns die Augen öffnen für das liebenswerte, schöne, schwere und meist unsichtbare Leben der Tiere gleich nebenan.
Auf ihren Expeditionen ins Tierreich beobachtet Hilal Sezgin Kängurus in der Lüneburger Heide, das Familienleben der Schafe im eigenen Stall und das Fütterungsverhalten deutscher Jäger. Sie schenkt dem vornehmen Schwein Prinz Lui eine Ananas, besichtigt ein Kuh-Altersheim, hört das Schreien der Lämmer, schaut einem Affen in die Augen und erforscht die Geschäfte der Schweinemäster, Tiertransporteure und Schlachter. Dabei vollbringt sie das Kunststück, ihre Leser immer wieder staunen zu lassen: Staunen über die Klugheit und Liebenswürdigkeit unserer tierischen Zeitgenossen, Staunen über die Kurzsichtigkeit der Menschen. Und Staunen darüber, dass wir das Leben der Löwen und Elefanten in der Serengeti besser kennen als das Tierleben vor unserer Haustür.

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ISBN 9783406666582
Erscheinungsdatum 22.08.2014
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FALTER-Rezension

Zuerst die Menschen, dann die Tiere?

Peter Iwaniewicz in FALTER 41/2014 vom 10.10.2014 (S. 41)

Ökologie: 53 funkelnde Geschichten über Tiere, ihre Rechte und die Kurzsichtigkeit der Menschen

Manchmal scheint es, als ob es nur mehr tierfreundliche, bewusste Konsumenten gäbe. Alle sind gegen Massentierhaltung, alle verabscheuen Tiertransporte und alle wollen Fleisch nur beim Bauern ums Eck, den man persönlich kennt, ganz regional und bio kaufen. Dies hört man vor allem von Großstadtbewohnern, wo die Dichte vertrauenswürdiger Landwirte bekanntlich nicht besonders hoch ist.

Vermutlich scheiden diese glücklichen Tiere auch erst nach einem erfüllten Leben in der Natur ganz friedlich aus dem Leben, denn inzwischen sind auch fast alle gegen industrielle Schlachtungen. Bevorzugt wird eindeutig die "artgerechte" Schlachtung von tierfreundlich eingesperrten Rindern und Schweinen, denen man "einfühlsam" die Hoden abgeschnitten hat.
Diese Widersprüche im Umgang und in den Beziehungen zu unseren Haustieren zeigt Hilal Sezgin, Besitzerin eines ­eigenen Gnadenhofs für Tiere, in ihrem neuen Buch "Tierleben" auf. Ohne den heiligen Zorn mancher veganer Aktivisten, ohne den erhobenen Zeigefinger derjenigen, die es immer besser wissen, sondern mit eleganter Sprache, leichter Ironie und gut recherchierten Fakten erzählt sie Geschichten vom Leben anderer Wesen, die ebenso wie wir Charakter, Eigenarten und Seele zeigen.
Alle Texte erschienen zwar schon in den Feuilletons deutscher ­Qualitätsmedien wie Frankfurter Rundschau, Süddeutsche Zeitung oder Die Zeit, dennoch leidet das Buch nicht unter dem Problem vieler Kolumnensammlungen, die einzelne Ideensplitter ohne Spannungsbogen zwischen zwei Buchdeckeln pressen. Sehr geschickt werden die kurzen Essays in Kapitel zusammengefasst und den vier Jahreszeiten zugeordnet.
Der "Frühling" beginnt mit Beschreibungen von Sezgins Freundschaft zu ihren Schafen und Hühnern und hebt diese Tiere aus ihrer Versenkung als landwirtschaftliche Ressource auf die Ebene von Individuen. Das schafft Sezgin mit einem bewundernswert lockeren Schreibstil und einer hohen journalistischen, geradezu literarischen Qualität der Sprache.
Trotz des im Hintergrund allgegenwärtigen Tierleids durchzieht ihre Texte feine Ironie: "Ich habe einmal einen Artikel über Leben und Tod deutscher Mastschweine geschrieben. Es war ein trauriger Text. Ein Freund gab ihn seiner Mutter zu lesen, sie war fassungslos. Sie empfand großes Mitleid mit den Schweinen und ihrem Leben in engen Ställen, ohne Stroh und auf Spaltenböden. Und sie sagte aus tiefsten Herzen: ,Zum Glück esse ich kein Schwein mehr. Nur mehr Hühnchen und Rind.' Ja, das ist Mitleid, ein Funke zumindest. Leider schafft er es den Weg zur Flamme nicht."

Als Philosophin mit den Schwerpunkten politische Theorie und Soziologie sieht Sezgin auch die Querverbindungen zwischen Kapital, Produktion und Markt. Sie erzählt vom seltenen Beispiel eines veganen Schäfers. Dieser besitzt eine Herde, die aber nur mehr aus "Gnadenschafen" besteht, die er vor der Schlachtung oder aus schlechter Haltung gerettet hat, und belieferte Wochenmärkte mit ökologisch angebautem Obst. Da er den Preis für die Produkte nach der geschätzten Finanzkraft seiner Kunden bemaß, wurde er dafür von der Marktaufsicht ausgeschlossen, weil dies angeblich den Bestimmungen des freien Wettbewerbs zuwiderlief.
In den Kapiteln "Sommer" und "Herbst" umkreist Sezgin das Phänomen des Veganismus und zeigt ihn als moderne Bewegung und Antwort auf die zunehmende Industrialisierung der Tierhaltung, bei der der Kapitalismus Reproduktion, Wachstum, Körper und Tod in den Produktionsprozess gezwungen und bis zur Unkenntlichkeit deformiert hat.
Doch auch bei diesen eher düsteren Aspekten fleischbasierter Ernährung verliert Sezgin nie die nötige selbstkritische Distanz und mokiert sich schon auch mal über die "Delirien rohköstlicher Esoterik", wenn Gurken ein Eiweißanteil von 50 Prozent zugewiesen wird. Bei der Gegenüberstellung gesundheitlicher Argumente pro und contra vegane Ernährung schreibt sie: "Klar ist Veganismus unheimlich gesund – aber bombenfest erwiesen ist das eben erst für die Tiere, die wir nicht quälen und essen, und nicht für uns Menschen."
Im Kapitel "Winter" führt sie dann mit journalistischer Akribie all die unangenehmen Wahrheiten der Tierproduktion vor und demaskiert Glückliches-Schnitzel-Zauber und Marketingsprech: "Tierwohl ist bei Vogler gelebter Alltag und der Grundstein zur guten Schweineprodukten." "Gelebter" Alltag erscheint dann nur mehr als zynische Paraphrase eines Tierzerlegungsgewerbes.

Anhand von Theodor Adornos umstrittener, weil verzerrt zitierter Aussage "Auschwitz fängt da an, wo einer im Schlachthaus steht und denkt: Es sind ja nur Tiere" nähert sich Sezgin abschließend dem Thema Rechte anderer Lebewesen an. Was gehen uns denn überhaupt Tiere an, wo doch so viele andere Probleme unserer Welt nicht gelöst sind? Darf man sich denn um das Leid von Rindern, Schweinen und Hühnern kümmern, solange Menschen leiden?
Dem hält sie entgegen, dass es kein kosmisches Skript gäbe, in welchen Etappen sich Gerechtigkeit auf der Welt auszubreiten hätte. Wer nach der Maxime "Zuerst Menschen, dann die Tiere" handelt, der wird möglicherweise auch eher dazu tendieren, bei Menschen genauer zu differenzieren, wer des Mitgefühls bedarf und wer nicht.
Ein afrikanisches Sprichwort besagt: Solange die Löwen keinen eigenen Geschichtenerzähler haben, werden Jagdgeschichten den Ruhm der Jäger verbreiten. Sezgin erzählt von der wunderbaren und einzigartigen Persönlichkeit anderer Lebewesen, zu denen viele Menschen keine andere Beziehung aufbauen können, als sie zu essen.
Ein wunderbares, aufregendes und unaufgeregtes Buch.

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