

Was Homo-sapiens-Besitzer wissen müssen
Andreas Kremla in FALTER 41/2014 vom 10.10.2014 (S. 49)
Anthropologie: Was ist der Mensch? Und wie wartet man ihn? Ein Drehbuchautor liefert pointierte Antworten
Nehmen wir an, Sie kennen all das hier nicht: keine Friseure, keine Computer, keine Körperteile.
Da kommt Paul Hawkins' Anleitung genau recht, um Sie mit Wesen und Welt der Menschen vertraut zu machen. Er schreibt für die fiktive Zielgruppe der Homo-sapiens-Besitzer. Doch auch jenen, die schon einigen Artgenossen und deren Artefakten begegnet sein sollten, bietet er bemerkenswerte Anregungen.
Durch Erklärung der trivialsten Phänomene richtet er ein ungewohnt "unbefangenes" Streiflicht auf unsere Alltagsdinge und Angewohnheiten – und enthebt sie damit ihrer Selbstverständlichkeit.
Religionen etwa beschreibt er als "herrlich bunte Sammlungen strenger Regeln und vager Gerüchte, an denen sich jeder Mensch erfreuen kann". Das Spektrum der erklärten Objekte reicht von Organen über Make-up und Gefühle bis zu Paarungsverhalten und Eigenheimen.
Dazu gibt es kunstvoll unschuldige Bildchen, die der Autor selbst gezeichnet hat. Stellenweise fügt sich scheinbare Naivität mit scharfsinniger Beobachtung zu britischem Humor. Ungewöhnlicherweise liegt die deutsche Übersetzung des englischsprachigen Originals als erste Ausgabe vor.
Als deutsch-englischer Grenzgänger hat der in Berlin lebende Drehbuchautor erst vor kurzem mit "Denglisch for Betterknowers" (Ullstein 2014; mit Co-Autor Adam Fletcher) einen kleinen Bestseller gelandet. Bei mancher Beschreibung, wie zum Beispiel jener der Weisheitszähne, fragt man sich allerdings auch: Wozu das jetzt? Hier scheint sich Hawkins mit seinem Gebrauchsanweisungsmodus unter Vollständigkeitsdruck zu bringen.
Doch zumindest sind auch die farbloseren Absätze rasch gelesen. Alles nur Blödelei? An den besten Stellen sind Hawkins' Erklärungen des Menschen nicht nur sehr witzig, sondern auch ein bisschen weise, etwa wenn er in der Rubrik "häufig auftretende Gefühle" erklärt: "Mit Reue quälen Menschen sich selbst, indem sie sich ein Paralleluniversum vorstellen, in welchem sie weniger unbeholfen, dämlich oder verantwortungslos sind als in ihrem eigenen."
Bei manchen Lesern dürfte der eine oder andere der pointierten Aphorismen einen echten Treffer in Sachen Welt- und Selbsterkenntnis landen – vergleichbar mit den absurden Koans, mit denen Zenmeister ihren Schülern logisch nicht erklärbare Einsichten vermitteln.
Die anderen bringt wohl so mancher der bunten Welterklärungsschnipsel zumindest zum Lachen. Und das ist auch keine gering zu schätzende (menschliche) Leistung.