

Arfaxat, Azazael, Beelzebub, Belial, Lucifer, Zabulus
Erich Klein in FALTER 41/2015 vom 07.10.2015 (S. 40)
Religion: Kurt Flasch legt eine formidable Geschichte des Teufels als Deutungsinstrument und Kampfbegriff vor
Am Anfang steht die Vertreibung aus dem Paradies, am Ende die Apokalypse. Der neben Gott wichtigste Akteur des Christentums ist der Teufel – als verführerische Schlange beim Sündenfall von Adam und Eva, als siebenköpfiger roter Drache, der mit seinem Schwanz die Sterne vom Himmel fegt, am Ende aller Zeiten.
Der Philosoph und Mittelalterspezialist Kurt Flasch rekapituliert die Wandlungen dieser für Religion, Politik und Kultur folgenreichen Gestalt als Geschichte der „Moral- und Religionskonzepte der europäischen Hochkultur“ der letzten 2500 Jahre.
Die Ursprünge des Teufels liegen im Orient. Im Hebräischen bedeutet „Satan“ Ankläger und Verleumder, im Griechischen heißt er „Diabolos“. Seine Gestalt ist so vielfältig wie seine Namen: Beelzebub, Belial, Zabulus, Arfaxat, Azazael. Das lateinische „Lucifer“ erinnert daran, dass der gefallene Engel einst ein „Lichtbringer“ war.
Mag der Teufel heute nur noch als Symbol des Bösen gelten, in der Geschichte von Judentum, Islam und Christentum wird er als reale Figur verstanden, die konkreten Veränderungen unterliegt. Figuriert er in den ältesten Texten der hebräischen Bibel noch als Befehlsempfänger Gottes, so steigert er sich im Neuen Testament vom Versucher und Verräter Jesu bis zum „Fürsten der Welt“. „Der Teufel“, so Kurt Flasch, ist ein „Deutungsinstrument und Kampfbegriff im Ringen mit Feinden innen und außen“.
Für Christen sind die Römer ebenso Teufel wie die Juden. „Warum versteht ihr mich nicht?“, lautet eine an die Juden gerichtete Frage im Johannes-Evangelium. Die Antwort: „Ihr habt den Teufel zum Vater (…). Der ist ein Mörder von Anfang an und steht nicht in der Wahrheit.“ Christlicher Anti-Judaismus sollte sich in der Folge zu noch größerem Antisemitismus auswachsen.
Auf die Frage, warum sich der Teufel in Europa so lange halten konnte, hat Kurt Flasch eine scheinbar einfache Antwort: Weil das Bild, das man sich von ihm machte, mit der Zeit – manchmal auf verzwickte Weise – wandelte. Da wird von den Kirchvätern gefragt, ob der Teufel selbst nicht auch gut sein könne, oder er mutiert zum von antiker Philosophie beeinflussten „Luftwesen“ ohne Körper. Beim heiligen Augustinus herrscht eine „Atmosphäre von mächtiger sexorientierter Teufelsherrschaft.
Flasch mokiert sich nicht über Obskurantismen, sondern versucht sie aus ihrer Zeit heraus zu verstehen. Politische Kontexte werden mit leichter Feder umrissen. Der „intellektualisierte“ Teufel des 13. Jahrhunderts entsprach einem „Schub an Rationalisierung und Selbstorganisation der westlichen Welt“; der von der Kirche weiterhin propagierte Teufelsglaube hatte „sozialpsychologische Vorteile, weil die Angst vor dem Höllenfeuer die erwünschte Volksmoral“ aufrechterhielt. Im philosophischen Denken des 17. und 18. Jahrhunderts erfolgt in Europa eine „Depotenzierung“ des Teufels. Naturkatastrophen und Epidemien werden nicht mehr als Satanswerk oder Bestrafung der sündigen Menschheit verstanden, im Zentrum des Denkens einer „natürlichen Religion“ stehen die „gute Natur“ und der freie Mensch.
Als Leibniz in seiner „Theodizee“ nach dem „Ursprung des Bösen“ fragt, lässt er den Teufel außer Acht. Für Kant und Schiller ist die Vertreibung aus dem Paradies nicht mehr mit Teufel und Sünde verknüpft, sondern „die glücklichste und größte Begebenheit der Menschengeschichte“.
Einer „der wichtigsten Akteure in der Geschichte des Teufels“, so Kurt Flasch, ist Goethe mit seiner Erfindung von Faust und Mephisto. Letzterer, der Teufel am Übergang von feudaler Welt zur beginnenden Gegenwart, ist nicht nur Theaterfigur, er ist auch ein hellsichtiger Zeitdiagnostiker. „Er beschreibt das Diabolisch-Ungeheure, das mit Dampfmaschinen, künstlicher Menschenzeugung, Revolutionsrhetorik, Kolonisation und Welthandel auf die Menschen unausweichlich zukommt.“
Zu den schlichten Glaubensteufeln der Alten führt kein Weg zurück, im Vergleich zu Mephisto sind sie allesamt inhaltsarm und langweilig. Dasselbe trifft auch auf den düsteren Psycho-Sound nicht nur esoterischer Teufelsbücher zu, gegen die sich Kurt Flasch mehr als wohltuend abhebt.