

Die verlorene Glaubwürdigkeit der Medien
Benedikt Narodoslawsky in FALTER 13/2016 vom 01.04.2016 (S. 23)
Der Journalismus kranke am Mainstream, meint der deutsche Journalismusforscher Uwe Krüger. Er warnt vor den Folgen
Die Verschwörungstheorie der Chemtrails (Flugzeug-Kondensstreifen, mit denen das Militär angeblich die Bevölkerung schädigen will) ist mittlerweile so weit verbreitet, dass FPÖ-Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer im Parlament Anfragen dazu einbrachte. Die Impfgegner haben im Netz Hochkonjunktur. Rechte Propagandaseiten, die gegen Flüchtlinge hetzen, sprießen aus dem Boden. Die Gegenöffentlichkeit wächst. Leser wenden sich von klassischen Medien ab und informieren sich lieber auf dubiosen Nachrichtenkanälen. Wie konnte es dazu kommen?
Uwe Krüger forscht in der Abteilung Journalistik an der Universität Leipzig und gibt in seinem Buch „Mainstream“ mögliche Antworten darauf, warum Menschen das Vertrauen in klassische Medien verloren haben. Er kommt dabei zu interessanten Schlüssen.
Da wäre zunächst der offensichtlichste: Verantwortlich sei der ökonomische Druck. Der Anzeigenmarkt erodiere, Verlage bauen Stellen ab und dünnen Redaktionen aus. Freie Journalisten zählen längst zum Prekariat. Weniger Redakteure müssen mehr leisten, ihnen fehlt immer öfter die Zeit für Recherche und eigene Geschichten. Eine Studie, die die Meldungen von sechs Landesdiensten der Nachrichtenagenturen dpa untersuchte, kam zum Schluss, dass „nur zwei Prozent der Texte vollkommen selbst recherchierte und angestoßene Initiativen fern der Termin-Berichterstattung“ waren.
Soll heißen: Den Takt und das Themensetting geben mittlerweile PR-Redaktionen und Parteistrategen vor. Das führt wiederum dazu, dass viele Medien über dasselbe berichten. Verstärkt wird dieser Effekt, weil kleine Blätter sich an großen Leitmedien wie dem Spiegel und der Süddeutschen Zeitung orientieren – die sich wiederum von internationalen Leitmedien wie der New York Times beeinflussen lassen.
Homogene Journalistenclique
Nicht nur thematisch, auch inhaltlich sind manche Medien kaum mehr voneinander zu unterscheiden. Das mag auch einen systemischen Hintergrund haben. Denn die Clique der Journalisten ist homogen. Krüger ordnet sie im „liberal-intellektuellen Milieu“ ein. Untersuchungen zeigen, dass die meisten Journalisten Eltern in sicheren Berufen ohne Existenzängste hatten. Arbeiterkinder sind in der Branche die Ausnahme. Journalisten bilden also nicht die Bevölkerung ab. Das Vertrauen vieler Menschen schwindet auch deshalb, weil Medien zu selten über Probleme aus anderen Lebenswelten berichten.
Krüger macht dies an der aktuellen Flüchtlingskrise fest. In guter Absicht hätten Redakteure wohlwollend über Flüchtlinge berichtet, um Fremdenfeindlichkeit nicht aufkommen zu lassen. Allerdings hätten sie dabei den Eindruck erweckt, Leser erziehen anstatt informieren zu wollen. Kritische Aspekte seien lang ausgeblendet worden. „Ein erwünschtes Meinungsklima herzustellen gehört ganz sicher nicht zu den Aufgaben von Journalisten“, kritisiert Krüger.
Dies meint der Autor auch in Bezug auf die herrschende Klasse. Denn in den großen Fragen würden die meisten Medien stets auf die Linie der Regierung und Elite einschwenken. Beispiel Griechenland-Krise: Damals hätten deutsche Medien die griechische Position einfach ignoriert. Die Leitmedien befanden sich auf Regierungskurs.
Oder auch: der Ukraine-Krieg. Als russische Streitkräfte ein Passagierflugzeug über der Ukraine abschossen, hagelte es tagelang Kritik an Russland. Als ein Kampfpilot der USA versehentlich ein afghanisches Spital von Ärzte ohne Grenzen in die Luft jagte, wurde das als Nebensache kleingeredet. Die Journalisten würden mit zweierlei Maß messen. Es gebe Gut und Böse, aber kein Dazwischen.
Erschreckend wird Krügers Buch, wenn er zeigt, wie stark Journalisten deutscher Leitmedien mit der wirtschaftlichen und politischen Elite vernetzt sind. Krüger analysiert dabei die deutsche Medienlandschaft. Seine Thesen sind aber wohl auch für die österreichische gültig.