

Andreas Kremla in FALTER 23/2019 vom 07.06.2019 (S. 34)
Die Idee der Zärtlichkeit als Heilmittel gegen Härte und Starrheit stammt von Papst Franziskus. Isabella Guanzini untermauert sie mit Gedanken von Plato über Nietzsche bis Adorno und mit Fallbeispielen kollektiver Fürsorge etwa aus der Flüchtlingskrise. Der Großstadtmensch ist Teil einer „Erregungsgemeinschaft“ mit unruhigem sozialem Zusammenhalt geworden, lautet ihre These zum „animal laborans“, dem Menschen als Arbeitstier, das sich ohne Not selbst ausbeutet. Als Therapie empfiehlt auch Guanzini Zärtlichkeit, im individuellen und im kollektiven Sinn.
Willkommen auf zwei schmalen Graten: jenem zwischen Glauben und Denken und jenem zwischen Berührung und Rührseligkeit. Guanzini hält die Balance. Wer keine Berührungsängste mit großen Gefühlen oder starken Kirchenmännern hat, bekommt hier angewandte Philosophie gegen globalisierte Erschöpfung.