

Durch die Schlüssellöcher des alten Rom
André Behr in FALTER 11/2022 vom 18.03.2022 (S. 33)
Viele der legendären Filme des italienischen Kinos sind innig mit Rom verbunden, handeln von Lust, Verbrechen, Politik und Kirche und erzählen von allerlei Delikatem, das sich hinter den Wänden von stilvollen Salons oder flauschigen Schlafzimmern dieser Stadt abspielt. Auch Michael Sommer, der an der Uni Oldenburg lehrt, beschäftigt das Geheime, das beim Blick in Räume gewisser Häuser zu entdecken ist. Allerdings schaut er in seinem neuesten Buch durch Gucklöcher in die Zeiten des antiken Rom, notabene, denn der 51-jährige Deutsche ist Althistoriker und gilt als einer der profundesten Kenner der Antike.
Was es über diese mehr als 1000-jährige Epoche um Christi Geburt im Mittelmeerraum zu erzählen gibt, legt Sommer nach Themen geordnet dar. Eines der Kapitel handelt von verbotenen Substanzen, die Giftmischerinnen herstellten und Drogendealer verteilten, eines von Mysterien und geheimen Riten. In einem dritten ist die Rede von Falschspielern und Meuchelmördern, in einem vierten von Spionen und Wunderwaffen. Insgesamt leuchtet Sommer zehn solcher Themen aus, und man staunt, was vor zwei Jahrtausenden alles schon vorhanden war, das man heute, je nach Gusto, feiert oder beklagen muss.
Im Kapitel "Korruption und das organisierte Verbrechen" beispielsweise ist bereits der Umgang mit Geld aktuell. Waffenstillstände wurden dank Zahlungen hoher Beträge erreicht, Kunstwerke eigneten sich manche mithilfe von Tricks an. Auch Geschlechterfragen waren schon ein ernstes Thema, wie Sommer im Kapitel "Von Geheimschriften und verbotenen Büchern" berichtet. Enthaltsamkeit predigte in der polytheistischen Antike niemand. Erst mit dem Sieg des Christentums wurde ein Leben dann als "gottgefällig" empfunden, wenn es "auf die Erfüllung sexueller Begierden verzichtet". In diesem Werk von Michael Sommer dürfte jeder auf seine Rechnung kommen. Es ist hochgradig amüsant und gehört in jeden Haushalt.