

Hommage an die Physiker vor 100 Jahren
André Behr in FALTER 11/2022 vom 16.03.2022 (S. 36)
Im Juni des Jahres 1925 fuhr ein 23-jähriger deutscher Physiker nach Helgoland, um sich in Ruhe seinen Ideen widmen zu können. Werner Heisenberg litt unter einer starken Pollenallergie und entfloh mit dieser Reise lästigem Blütenstaub. Als hochbegabter Assistent des angesehenen Max Born in Göttingen beschäftigten ihn die gravierenden Unstimmigkeiten des sogenannten Bohr’schen Atommodells, die er mit einem radikalen theoretischen Ansatz ausräumen wollte.
Bei Bohrs Atommodell kreisen Elektronen um den Kern und vollführen seltsame Sprünge von einer Bahn zur anderen. Heisenberg hinterfragte diesen anschaulichen Erklärungsansatz und schlug vor, das Elektron neu zu denken. Anstatt anzunehmen, es sei ein Objekt, konzentrierte er sich allein auf das, was sich von außen beobachten lässt, etwa die Intensität und Frequenz des abgestrahlten Lichts. Um unter dieser Annahme rechnen zu können, stellte er sämtliche Größen, die die Bewegung eines Elektrons beschreiben, nicht mehr durch Zahlen dar, sondern durch Tabellen, sogenannte Matrizen.
Diese Pionierarbeit lancierte die sogenannte Quantenmechanik und brachte Heisenberg 1932 den Nobelpreis ein. Sie war eine der genialen Ideen, dank denen in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhundert die so erfolgreiche moderne Physik entstand. Die berühmteste Theorie wurde 1905 ersonnen, als in Bern ein 27-jähriger Sachbearbeiter des Schweizer Patentamtes namens Albert Einstein eine Arbeit mit dem Titel „Zur Elektrodynamik bewegter Körper“ veröffentlicht hatte: Er hatte damit die Relativitätstheorie begründet.
Ernst Peter Fischer ist als Wissenschaftsautor selber ein Phänomen. Er hat Mathematik, Physik und Biologie studiert, sich als Wissenschaftshistoriker habilitiert und mittlerweile mehr als 70 Bücher auf den Markt gebracht. Bei diesen Mengen häufen sich natürlich Wiederholungen, weshalb er in seinem neuesten Werk auf einen originellen Ansatz setzt und die radikalen Erneuerungen von Einstein & Co mit der Zeit der Romantik in Beziehung bringt.
Beide stellen Umwälzungen der abendländischen Kultur dar, so Fischer. Kraft der Französischen und der Industriellen Revolution in der Ära der Romantik habe sich das Bild vom Menschen mit seinem kreativen Handeln ebenso dramatisch verändert wie in der Weimarer Republik das Bild der Welt durch die Quantenphysik. Davon, so Fischer, lässt sich Wichtiges lernen. Als Menschen können wir der Wahrheit gegenübertreten, sie mit offenem Blick erkunden und uns dann mit ihr versöhnen. Immerhin.