Fremd und rechtlos?

Zugehörigkeitsrechte Fremder von der Antike bis zur Gegenwart. Ein Handbuch
434 Seiten, Hardcover
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ISBN 9783412223847
Erscheinungsdatum 03.09.2014
Genre Geschichte/Allgemeines, Lexika
Verlag Böhlau Köln
Herausgegeben von Altay Coşkun
Herausgegeben von Dominik Nagl, Beate Althammer, Jenny Pleinen, Oliver Schipp, Markus Koller, Simon Karstens, Lutz Raphael
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HerstellerangabenAnzeigen
Brill Deutschland GmbH
Wollmarktstr. 115 | DE-33098 Paderborn
productsafety@degruyterbrill.com
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Kurzbeschreibung des Verlags

Der Band bietet einen Überblick über die Rechtsstellung von Fremdgruppen in Herrschaftsverbänden und Gesellschaftsordnungen der mediterran-europäischen Welt. Dargestellt werden die rechtlichen und politischen Regelungen von Teilhabe und Ausschluss Fremder von der Antike bis zur Gegenwart. Besondere Beachtung finden die Einflüsse, welche religiöse Vorstellungen, demographische Umstände, politische Verfassungen und die Semantiken von Fremdheit auf die Gleichstellung bzw. Andersbehandlung Fremder hatten. Geographisch legt das Handbuch einen Schwerpunkt auf den Mittelmeerraum sowie auf das westliche und mittlere Europa. Zeitlich spannen die Beiträge einen weiten Bogen vom Alten Ägypten bis zur Gegenwart. Das Handbuch ist gemeinsam von einem Autorenteam aus Historikerinnen und Historikern der unterschiedlichsten Epochen unter Beteiligung von beratenden Experten aus den Religions-, Politik- und Sozialwissenschaften im Rahmen des Trierer SFB 600 'Fremdheit und Armut' erarbeitet worden. Dieser Titel liegt auch als eBook für eReader, iPad und Kindle vor. Anmerkungen, Weblinks und ein dreizügiges Register sind interaktiv. Die wissenschaftliche Zitierfähigkeit wird durch die Kennzeichnung der Seitenzahlen der Printausgabe gewährleistet.

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ISBN 9783412223847
Erscheinungsdatum 03.09.2014
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FALTER-Rezension

Zwischen Blut und Boden: die Geschichte des Fremdenrechts

Norbert Mappes-Niediek in FALTER 9/2015 vom 27.02.2015 (S. 20)

Ein Sammelband über die Zugehörigkeitsrechte Fremder von der Antike bis zur Gegenwart – mit überraschenden Befunden

Zu den wenigen Rechtsbegriffen, die es aus der juristischen Fachsprache bis in die Feuilletons geschafft haben, gehören das "ius sanguinis", das Recht des Blutes, und das "ius soli", das Recht des Bodens. Die lateinischen Vokabeln wurden zu zwei Schlagworten, mit denen heute die Befürworter und die Gegner einer liberalen Einwanderungspolitik einander bekämpfen. Das "ius sanguinis" gilt dabei als das deutsche Prinzip: Die Nation ist eine Abstammungsgemeinschaft, und wer fremden Blutes ist, hat auf deutschem Boden nichts verloren. Das "ius soli", liest man, sei das französische, moderne, liberale: Zur Gemeinschaft der Staatsbürger hat jeder Zutritt, der hier lebt.
Aber so stimmt das gar nicht, wenigstens historisch nicht, wie zwei Autorinnen dieses informativen Sammelbandes darlegen. Zwar erklärte die revolutionäre Verfassung von 1793 tatsächlich alle Bewohner Frankreichs zu gleichberechtigten Citoy-
ens, sofern sie männlich, erwachsen und nicht arm waren. Aber schon die Direktoriumsverfassung zwei Jahre später nahm den Grundsatz wieder zurück. Bald darauf war es ausgerechnet die napoleonische Herrschaft, die das "ius sanguinis", das Abstammungsprinzip, dann über weite Teile Europas verbreitete. Hübsch ablesen lässt der Wandel sich übrigens am geheimnisvollen Refrain der Marseillaise und dessen Lesarten: "Marschieren wir, marschieren wir!", sangen die Freiwilligen, "auf dass unreines Blut unsere Furchen tränken möge!"
Mit dem "unreinen Blut" meinten die Soldaten ursprünglich ihr eigenes, das sie hingeben wollten im Kampf gegen die "reinblütigen" Aristokraten. Die Interpretation geriet rasch in Vergessenheit. "Unrein" war fortan das Blut der Fremden, die gegen Frankreich zu Felde zogen.

Rigoroses Preußen
Das "ius soli" galt dagegen als das alte, aristokratische. Am deutlichsten ausgeprägt war und ist es im traditionsbewussten Großbritannien, wo die Nation der Fiktion nach die Gesamtheit der Untertanen der Krone ist – und wo "Ihre britannische Majestät" per Appell im britischen Pass noch heute jeden, den es angeht, bittet, den Halter "frei passieren" und ihm "Hilfe und Schutz angedeihen zu lassen".
In demselben Königreich war die Einbürgerung von Ausländern schwierig und langwierig und blieb dazu noch unvollständig. Ausgerechnet in Preußen dagegen war die Naturalisierung auch nach der deutschen Reichsgründung 1871 "bemerkenswert einfach", schreibt Beate Althammer. Man musste nur unbescholten sein und sich und seine Familie ernähren können.
Lernen lässt sich aus alledem wohl, dass es im Verhältnis zum Fremden auf das Recht nie wirklich ankam und dass das Fremdenrecht auch das Selbstverständnis der eigenen Nation immer nur sehr gebrochen widerspiegelte. So nutzte das rigorose Preußen sein modernes Staatsbürgerschaftsrecht 1885, um mehr als 30.000 Polen aus den deutschen Ostgebieten auszuweisen – formal, weil sie keinen deutschen Pass hatten, tatsächlich aber, weil sie eben Polen und somit keine richtigen Deutschen waren. Jedes Recht ließ sich über die Zeit mal zur Abschließung gegenüber Ausländern und mal zur Anwerbung nützen.
Ob jemand ein Visum bekommt oder eingebürgert wird, muss ein Staat nicht begründen. Wer abgelehnt wird, hat kein Einspruchsrecht. Was Ausländerrecht heißt, ist ein Gnadenakt. Interessanterweise hat die Formulierung der Menschen- und Bürgerrechte daran wenig geändert.
Ganz rechtlos nämlich, vogelfrei also, waren Ausländer auch vorher nicht, nicht einmal in Stammesgesellschaften – noch so ein interessanter Befund aus dem Band, der vom alten Ägypten bis ins 21. Jahrhundert den denkbar weitesten Bogen spannt.

Wenig Lehre aus der Geschichte
Offene und gegen alles Fremde abgeschlossene Gesellschaften hat es zu allen Zeiten gegeben, machen die gut lesbaren und sorgfältig edierten elf Aufsätze junger Historiker aus einem Forschungsprojekt in Trier deutlich. Offen waren die Hethiter, extrem fremdenfeindlich war Mesopotamien. Während die griechische Polis sich – auch – auf Abstammung gründete, zog das Römische Reich seine Stärke aus seiner enormen Integrationskraft – ein Befund, der den Lateinlehrern des 20. Jahrhunderts gar nicht gefiel, weshalb sie das Reich an den "Barbaren" zugrunde gehen ließen, statt zu fragen, warum es so lange Bestand hatte.
Aber auch über unser modernes Fremdenrecht lässt sich hier manches lernen. Um 1850 wurden Passpflichten überall gelockert, man konnte zeitweise frei reisen – wenn auch nicht sich überall niederlassen. Viel wichtiger als das Staatsbürgerschaftsrecht, als "ius soli" oder "ius sanguinis" war bis weit ins 19. Jahrhundert das "ius domicilii", das Niederlassungsrecht, das von den Gemeinden geregelt wurde und zwischen In- und Ausländern keinen Unterschied machte.
Hier kann der Blick in die Geschichte auch zur Anregung taugen, etwa wenn es um kommunales Wahlrecht geht. Österreich, in der nationalen Frage der Geisterfahrer des Jahrhunderts, baute die Gemeindekompetenzen damals sogar noch aus. Die neuerliche Abschließung kam dann mit dem Sozialstaat, besonders mit dem Armenrecht.
Eine Moral, eine Lehre lässt sich aus dem weiten Blick über die Geschichte so einfach nicht ziehen. Dass zwei Jugendliche je nach Geburtsort der Eltern mehr oder weniger Rechte haben sollen, wird jedenfalls in ganz Europa schon heute kaum noch verstanden. Wer die modernen Verhältnisse in die passende rechtliche Form gießen will, orientiert sich wahrscheinlich eher an Amerika und Australien als an der europäischen Geschichte, die Einwanderung im heutigen Umfang und in der Breite der Herkunftsländer nicht kennt.

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