Verzeihen

Vom Umgang mit Schuld
224 Seiten, Hardcover
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ISBN 9783421044631
Erscheinungsdatum 08.03.2016
Genre Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
Verlag DVA
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Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH
Neumarkter Straße 28 | DE-81673 München
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Kurzbeschreibung des Verlags


Von der Kunst loszulassen


Verzeihen heißt dem Wort nach: Verzicht auf Vergeltung. Wer verzeiht, bezichtigt nicht länger andere für das eigene Leid, sinnt nicht auf Rache oder juristische Genugtuung, sondern lässt es gut sein. Aber wie ist ein derartiges Loslassen möglich, das weder gerecht noch ökonomisch noch logisch ist? Lässt sich das Böse verzeihen? Führt das Verzeihen zu Heilung, gar Versöhnung – oder ereignet es sich jenseits allen Zwecks? Ausgehend von eigenen Erfahrungen ergründet die Philosophin Svenja Flaßpöhler, unter welchen Bedingungen ein Schuldenschnitt im moralischen Sinne gelingen kann. Sie spricht mit Menschen, denen sich angesichts schwerster Schuld die Frage des Verzeihens in aller Dringlichkeit stellt, und sucht nach Antworten in der Philosophie.

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FALTER-Rezension

„Kann, ja darf die Shoah jemals verziehen werden?“

Andreas Kremla in FALTER 11/2016 vom 18.03.2016 (S. 46)

Ethik: Svenja Flaßpöhler gelingt eine zum Teil sehr persönliche Vermessung des weiten Lands von Schuld und Verzeihung

Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“ – die berühmten Worte aus Paul Celans „Todesfuge“ zitiert Wiard Raveling in seinem ersten Brief an Vladimir Jankélévitch. Der deutsche Gymnasiallehrer will dem französischen Philosophen zeigen, dass Deutsch nicht nur die Sprache der Mörder ist, sondern auch jene vieler Opfer.
In einer Radiosendung hatte der Franzose jüdischer Abstammung über seine radikale Abkehr von allem Deutschem gesprochen: Er habe noch nie einen Brief irgendeines Deutschen erhalten, in dem so etwas wie Demut oder Entschuldigung zu finden sei. Der Lehrer schreibt diesen Brief. Der Philosoph antwortet. Jankélévitch lädt Raveling nach Paris ein.
Aus dem Besuch entsteht eine lebenslange Brieffreundschaft. Doch Jankélévitch verzeiht nicht. „Kann, ja darf die Shoah überhaupt jemals verziehen werden?“ Diese Frage ist wohl die am schwersten wiegende und kontroversiellste, die sich zum Thema Verzeihen stellen lässt.

Svenja Flaßpöhler hat viele Fragen. Um sie zu beantworten, schöpft sie aus mehreren Quellen. Sie erzählt Anekdoten, sie recherchiert Extremfälle von Menschen, die viel Schuld zu verzeihen haben – anderen oder sich selbst. Und sie lässt Kolleginnen und Kollegen aus der Philosophie zu Wort kommen. Die Philosophin und Germanistin arbeitet als stellvertretende Chefredakteurin des Philosophie Magazins. Zu Themen der Ethik hat sie schon mehrere Bücher publiziert, unter anderem zu Freiheit und Zwang der Leistungsgesellschaft („Wir Genussarbeiter“, 2011) und zur Euthanasie („Mein Tod gehört mir“, 2013).
Noch eine Quelle nährt die Betrachtungen zum Verzeihen: ihre eigene Lebensgeschichte. In dieser verlässt die Mutter die Familie, als die Autorin 14 Jahre alt ist, ihre Schwester acht. Im persönlich gehaltenen Prolog schreibt sie von ihrem damaligen „tiefen Wunsch, dass sie irgendwann bestraft wird. Dass sich, wenn schon nicht ich, wenigstens der Weltgeist an ihr rächt.“

Hilfe! Betroffenheitsliteratur? Rasch kommt Flaßpöhler vom Persönlichen zum Allgemeinen: Heißt verzeihen verstehen, lieben oder vergessen? Mit diesen drei Grundkategorien spannt sie ein Koordinatensystem auf und erforscht den bekannten, doch wenig beleuchteten emotionalen Raum des Verzeihens. Sie sammelt bisher zum Thema Gedachtes: Friedrich Nietzsche lässt sie das Unvergessene als „Totengräber des Gegenwärtigen“ ins Spiel bringen. Hannah Arendt begründet, warum Adolf Eichmanns Taten als Logistiker der Judenvernichtung unverzeihlich sind. George Bataille leitet die Vergebung aus der „Lust des Verlusts“ ab.
Immer wieder bezieht sie sich auf die Gedanken Jacques Derridas: Nur das Unverzeihbare rufe nach Verzeihung, befindet der französische Philosoph unter anderem. Der kleine Philosophie-Rundkurs überzeugt eher durch unterhaltsame Auswahl als durch Systematik. Bemerkenswert sind manche Beobachtungen der Autorin, etwa dass es nur im Deutschen unterschiedliche Wörter für Verzeihen und Vergeben gibt.
Am Ende steht der Befund: „Verzeihen ist eine Verzichtleistung: Der oder die Verzeihende verzichtet auf Vergeltung.“ Diese Leistung müsse über die Zeit aufrechterhalten werden.

Ihre eigenen Erfahrungen bleiben der Nullpunkt, auf den sich die Autorin immer wieder bezieht. Doch die Kurve zu allgemeiner Reflexion gelingt – und hält die schwere Materie in Schwung. Emotional wird es bei den Fallbeispielen. Die Autorin besucht das Ehepaar, das den Holocaust überlebt hat, die Mutter, deren Tochter bei einem Amoklauf starb, den Häftling, der am Ende doch eingesteht, wen er umgebracht habe: „meine Liebste“. Von diesen Begegnungen berichtet Flaßpöhler vielschichtig, präzise und mit einer Tiefe, die den Leser schaudern lässt. Jedes der Beispiele hat die Qualität einer eigenständigen Reportage.
Flüssiger Stil und journalistische Präzision wiegen hier stärker als philosophische Systematik. Der Mut zur vielfältigen Untersuchungsmethode einer sperrigen Materie wird belohnt: Zum philosophisch wenig beleuchteten Lebensthema Verzeihen gelingt so eine lebendige Mischung aus Selbsterfahrung, Reportage und Philosophie.

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