

Raus aus der Depression mit Falco und Woiferl
Sebastian Fasthuber in FALTER 4/2022 vom 28.01.2022 (S. 31)
Eine antifeministische Polemik machte die Autorin Ronja von Rönne vor einigen Jahren berühmtberüchtigt. Mit ihrem achtbaren Debütroman "Wir kommen" (2016), der vom Leben junger Menschen in der Möglichkeitsform erzählte, suchte sie eine zweite Chance auf einen ersten Eindruck. Es folgte eine Kolumnensammlung und seither - Schweigen.
Umso größer ist der Medienrummel um den neuen Roman in Deutschland; noch dazu, wo er als literarische Verarbeitung von Rönnes Depressionen angekündigt wurde. Im Nachwort wehrt die Autorin die leidige Frage nach dem autobiografischen Gehalt ziemlich souverän ab. Ja, ohne ihre eigenen Erfahrungen hätte sie das Buch sicher nicht geschrieben. Es sei aber wohlgemerkt "nicht wegen, sondern trotz dieser Scheißkrankheit entstanden".
Die 15-jährige Juli stürzt sich von einer Brücke, wobei sie sich bei der Fallhöhe verschätzt hat. Sie kommt mit ein paar Kratzern davon und wird von der schrillen, sektlustigen Endsechzigerin Hella, einst eine Schlagergröße, aufgelesen. Die beiden sehr unterschiedlichen Charaktere treibt es als Zwangsgemeinschaft für ein paar Tage durch Deutschland, zu Raststätten und Dorffesten, im Autoradio laufen derweil Falco, Wolfgang Ambros oder auch einmal ein alter Hit von Hella.
Wo bleibt die Tristesse? Rönne hält sie auf Distanz. Nur manchmal lässt sie ihre Juli darüber räsonieren, wie es sich anfühlt: "Sie wusste sehr wohl, wie Schriftsteller, Künstler, Tik-Toker und Wikipedia Depressionen beschrieben: als würde das Leben plötzlich 'an Farbe verlieren' und der Alltag 'immer grauer' werden. Doch für sie war es viel schlimmer. "Es war bunt und leuchtete in allen Farben [ ]. Aber wenn Juli dann abends im Bett lag und versuchte einzuschlafen, waren all diese Farben gleichermaßen schal und deprimierend."
Um die zwei Außenseiterinnen entspinnt sich eine Road Novel mit Witz, und nach leichten Startschwierigkeiten auch Drive. Viele Pointen, dafür dankenswerterweise wenig Küchenpsychologie -die Verfilmung wird nicht lange auf sich warten lassen.