

Kurzer Ruhm und späte Dramen mit Hündin und Damen
Klaus Nüchtern in FALTER 11/2024 vom 13.03.2024 (S. 32)
So brillant wie der reife Bodo Kirchhoff" - so stand' s im Spiegel, so steht' s am Umschlag - vermöchten nur wenige "über das Wesen des Schmerzes, des Begehrens und der Liebe" zu schreiben. Auch in seinem jüngsten Roman mit dem schönen Titel "Seit er sein Leben mit einem Tier teilt" beschert Bodo K. seinem co-reifen Protagonisten, 75, noch einmal Gelegenheit, über all das nachzudenken. L.A. Schongauer war seinerzeit im Film als dritter Nazi von links gut gebucht, verdankt seine 15 minutes of fame aber vor allem dem Sterben zweier Frauen an seiner Seite: Eine um vieles jüngere Geliebte hatte sich mit seinem Revolver suizidiert, und seine Frau, eine berühmte Tierfotografin, war ertrunken - in beiden Fällen vor Schongauers Augen, was die Frage nach dessen Mitschuld aufwirft.
Der residiert mittlerweile (wie der Autor selbst) an einem oberitalienischen See, gemeinsam mit seiner Hündin Ascha und besagtem Revolver, der - Tschechows Gesetz lässt grüßen! - doch eigentlich noch einmal loszugehen hätte. Die andere Frage in Sachen "Spannungsdramaturgie" lautet: Wie lange muss sich Almut, 49, die als betrogene Arztgattin und haarsträubend unglaubwürdige Freelance-Journalistin eigens nach Italien gekurvt ist, um den Hollywood-Hasbeen zu interviewen, noch nackig machen und indiskrete Fragen stellen, bis die beiden in die Kiste hüpfen? Und welche Rolle kommt der aufgeweckten 24-jährigen Reisebloggerin zu, die in ihrem Wohnmobil auf Schongauers Anwesen gestrandet ist?
Um nicht alles zu spoilern, sei hier nur so viel verraten: Nicht alle kommen zum Schuss. Dafür werden Tomaten gehäutet, Melanzani gewürfelt, Weinflaschen geöffnet, wird die Frage beantwortet, warum Vintage-Schongauer diese Almut so "verheerend gern ansieht":"Weil so gut wie alles an ihr über die Augen unmittelbar in das Organ dringt, für das ihr Mann zuständig ist, ohne dass der ihm sagen könnte, warum es sich darin breitmacht." Capisci?