

Gerlinde Pölsler in FALTER 42/2022 vom 21.10.2022 (S. 28)
Wenn wir Ra dem Mächtigen, Herr der Kraftvollen Pfote, zum ersten Mal begegnen, deutet nichts darauf hin, dass wir es mit einem künftigen Meisterdetektiv zu tun haben, der nächtelang in gefährlicher Mission durch Gräber und Paläste schleicht. Aber wirklich gar nichts. Kein Schnurrhaar.
An einem Teich dösend, genießt er es, des Pharaos Kater zu sein. Tief verbeugt servieren die Diener ihm die feinsten Gerichte an die Zehen. Huldvoll nickt er und wartet, dass man sich entferne und er sich „den Opfergaben“ widmen kann. „Es ist nämlich schwierig, wie ein Gott auszusehen, wenn man gerade geschmorte Antilope hinunterschlingt.“
Auch die erste Begegnung mit der Küchenkatze Miu läuft schlecht. „He, du da“, ruft sie ihm zu. Was für eine respektlose Anrede, ist das zu fassen? Das Dienstmädchen Tedimut, keucht Miu, ein Kind noch, werde zu Unrecht des Diebstahls beschuldigt. Dafür kann es die Nase abgeschnitten kriegen, wenn nicht gar die Todesstrafe ausfassen. Sie brauche Ras Hilfe. Der will sich rausreden, da sagt Miu: „Es ist also wahr, was alle sagen – dass du ein verwöhnter Hohlkopf bist.“ Den letzten Schubser gibt Khepri, der Skarabäus, auch Mistkäfer genannt, der von Ras Rücken aus alles mitgehört hat. „Ra“, sagt der Käfer, „wenn du ihr nicht hilfst, weißt du, was ich dann tu? Ich steck dir Dung ins Essen.“
So geht das los mit dem detektivischen Dreiergespann. Im ersten Band der Reihe lässt Amy B. Greenfield, die in den USA und Großbritannien Geschichte studiert hat, das Trio das „Auge des Horus“ aufspüren, ein wertvolles Amulett. Im zweiten schickt sie die drei zu den Mumien, auf dass sie Grabräuber jagen. Der erste Band der Serie erschien im Sommer 2021, der dritte, „Die Suche nach Pharaos Sohn“, wird ab 16. November in den Buchläden stehen.
Erschaffen hat Greenfield die Kinderkrimis nach allen Regeln der Kunst. Ständig legt sie neue Fährten. Heckt vielleicht die Hofdame Neferubiti etwas aus, die mit ihren kajalumrandeten Augen aussieht wie ein Rabe? Hat Tigerlady Aat, Gefährtin der Großen Gemahlin, ihre Krallen im Spiel? Oder – Ra wagt kaum, das zu denken – steckt die Große Gemahlin gar selbst dahinter? Jedes Kapitel endet mit einem Cliffhanger und verleitet so zum stetigen Weiterblättern. All das hat Greenfield 2019 die Nominierung zum Edgar Award eingebracht, dem bedeutendsten Preis für kriminalliterarische Werke in den USA. Dazu geizt sie nicht mit liebevoller Ironie und jeder Menge Lokalkolorit aus dem alten Ägypten. Die Zeichnungen der mehrfach ausgezeichneten deutschen Illustratorin Felicitas Horstschäfer werten die Geschichten mit ihrem Witz zusätzlich auf.
Auch im dritten Band wird es wieder spannend: Als Dedi, der Sohn des Pharaos, vermisst wird, ist selbst für Ra an Essen nicht mehr zu denken, sollte er doch auf des Pharaos Kinder aufpassen. Was ist mit Dedi geschehen, wurde er gekidnappt? Haben die Krokodile ihn gefressen?
Eines muss Ra rasch zugeben: Auch wenn er gern allein der Große Detektiv wäre, sind Khepri und Miu, die Küchenkatze, alles andere als bloß Assistierende. Vor allem der Mistkäfer wird unterschätzt, unscheinbar, wie er ist, und leise, wie er redet. Wie das halt oft so zugeht!