
Mit Habermas auf Verbrecherjagd
Matthias Dusini in FALTER 48/2025 vom 26.11.2025 (S. 15)
Beim Namen Palantir schrillen die Alarmglocken. Viele denken dabei an einen finsteren Konzern, der den globalen Überwachungsstaat ausrüstet. Mit schuld am schlechten Image ist der rechte Investor und Propagandist Peter Thiel, der das Unternehmen 2004 mitgründete. Palantir-CEO und Multimilliardär Alex Karp stand lange Zeit in Thiels Schatten. Zu Unrecht, wie nun in einer überraschend differenzierten, von Karp autorisierten Biografie nachzulesen ist, die der seriöse US-Journalist Michael Steinberger verfasst hat.
Karp ist ein Kind der Bürgerrechtsbewegung. Die afroamerikanische Mutter reiste Anfang der 1960er-Jahre nach Israel, um den damals noch als links geltenden Zionismus kennen zu lernen. Als sie zuhause einen jüdischen Kinderarzt traf, sah sie in ihm das Mitglied einer Minderheit.
Umgekehrt fühlte sich Robert Karp auch deshalb zur Künstlerin Leah Karp hingezogen, weil ihre Vorfahren unter der Sklaverei gelitten hatten.
Biograf Steinberger sieht in dieser Fetischisierung der Opfererfahrung einen Grund, warum Karp heute gegen woke Identitätspolitik wettert. Wie sehr der Manager mit solchen Zuschreibungen hadert, zeigt auch seine persönliche Metamorphose. In den Jugendjahren fühlte er sich eher als Afroamerikaner, heute als Jude mit starkem Israel-Bezug.
Im Silicon Valley galt Karp als Außenseiter. Er hatte sich während des Jusstudiums in Stanford mit dem philosophisch interessierten Thiel angefreundet. Doch anders als sein Kumpel stieg er danach nicht in die Branche der Investoren ein, sondern ging nach Frankfurt am Main, um bei dem Denker Jürgen Habermas zu studieren. In kürzester Zeit lernte er Deutsch und schrieb eine Dissertation über die psychologischen Ursachen des Faschismus. Er las und vögelte viel, erzählt er dem Biografen. Erst Mitte 30 folgte er dem Ruf Thiels, der ihm die Leitung Palantirs anvertraute.
Über sein Privatleben ist nur bekannt, dass er "geografisch monogam ist", also zwei Beziehungen auf verschiedenen Kontinenten führt. Seine Lieblingskleidung sind Anzüge eines norwegischen Skilanglaufteams. Der fanatische Sportler verbringt jede freie Minute auf der Loipe. Karps Vorliebe für den deutschsprachigen Raum drückt sich in der Wahl seiner persönlichen Assistenten aus, die allesamt aus Österreich stammen.
Nicht nur der CEO, sondern auch Palantir ist anders. Es verkauft keine Bildschirme wie Amazon, sondern Sicherheitskonzepte. Palantir-Programme durchforsten Datenquellen, um daraus Muster zu filtern. Die Polizei kann so erkennen, wo es häufig Drogendelikte gibt. Fahnder identifizieren Spuren, die Terroristen im Internet hinterlassen. Kritiker befürchten den Missbrauch der Technologie, etwa beim Einsatz gegen Migranten ohne Papiere. Der Autor nennt aber auch positive Beispiele. Die Biden-Regierung kaufte während der Covid-19-Pandemie Palantir-Anwendungen, um Ansteckungscluster zu identifizieren.
Karp kämpfte allein auf weiter Flur. Die einstige linksliberale Bubble im Silicon Valley wollte mit CIA und Militär nichts zu tun haben. Er musste aber auch Investoren bei Laune halten, die viele Jahre auf schwarze Zahlen warteten. Querdenker Karp blieb beharrlich bei seiner Einschätzung. Er ging davon aus, dass die Bedrohungen zunehmen und daher die Nachfrage nach Palantir steigen würde. Etwas kurz gerät das Kapitel über den Rechtsschwenk Karps, der sich von einem Sponsor der Demokraten in einen zynischen Trumpisten und Kulturkrieger verwandelte. Die Aufträge der zweiten Trump-Regierung verhalfen der Palantir-Aktie zu einem Kurssprung.
In Frankfurt hatte Karp noch den Schriftsteller Martin Walser wegen dessen Aussagen zur Nazizeit kritisiert. Walser sprach in einer berühmten Rede 1998 von der "Moralkeule Auschwitz". In einem aktuellen Text änderte der Palantirianer seine Meinung. Darin lobt Karp Walser als "Verfechter der Meinungsfreiheit".



