

"Geld war die erste Motivation"
Sebastian Fasthuber in FALTER 23/2025 vom 06.06.2025 (S. 34)
Man soll ein Buch nicht nach seinem Umschlag beurteilen - aber schöne Literatur sieht anders aus. Das Cover von Simon Ammers "Auf dem Gipfel ist Ruh'" signalisiert der potenziellen Leserschaft zuallererst: Ich bin ein Regionalkrimi. Nimm mich mit in den Urlaub!
Doch wie es im Krimi oft ist, trügt der Schein. Es handelt sich zwar um einen genretypischen Roman vor ländlicher Kulisse. Aber er ist so flott wie genreuntypisch gut geschrieben und erzählt auf einer zweiten Ebene eine Menge über die gesellschaftlichen Verhältnisse.
Simon Ammer ist das Pseudonym des heimischen Schriftstellers, Musikers und Kolumnisten Daniel Wisser, der sich hier ein weiteres Standbein geschaffen hat.
Er sagt ganz offen: "Geld war die erste Motivation. Wir Freiberufler und Autoren nehmen dasselbe oder ein bisschen weniger ein als vor ein paar Jahren, während die Lebenshaltungskosten ständig steigen."
Wisser pflegt einen für Österreich unytpischen Umgang mit Geld: Er redet darüber. Das ist auch seinem Auftritt in der "Millionenshow" geschuldet, wo er 2017 300.000 Euro gewonnen hat. Die Hälfte davon hat er danach gespendet oder innerhalb der Familie verschenkt. Die anderen 150.000 verwendete er als Autorenstipendium für sich selbst.
Bis zu diesem Coup war Wisser 20 Jahre lang als Software-Entwickler in der IT-Branche tätig. Der Tagesjob finanzierte das Schreiben, das bei ihm zunächst unter experimentellen Vorzeichen stand. Seitdem er seinen Brotberuf aufgegeben hat, publiziert er deutlich mehr, jedes Jahr ein neues Werk.
Seine Bücher wurden dabei zugänglicher. Mit "Königin der Berge" (2018) gewann er den Österreichischen Buchpreis, "Wir bleiben noch" (2021) entwickelte sich zu einem mittleren Verkaufserfolg. Bestsellerautor ist der 1971 in Wien geborene Wisser jedoch bis heute keiner.
Der Vielschreiber produziert unermüdlich. Im Mai erschien mit "Auf dem Gipfel ist Ruh'" sein zweiter Simon-Ammer-Krimi, weitere sollen im Jahrestakt folgen. Bereits Ende August kommt sein neuer Daniel-Wisser-Roman "Smart City" heraus.
Ist die Dauerproduktivität nicht auch nur Plackerei? "Es ist viel Arbeit, aber ich möchte einfach nicht mehr in der IT arbeiten", sagt er. "Ich versuche ungefähr das zu verdienen, was ich als Angestellter mit 14 Gehältern bekommen habe. Ich würde sagen, ich habe das Einkommen eines mittleren Angestellten."
Für einen österreichischen Autor ist das viel Geld. Vom Buchverkauf allein kann hierzulande fast niemand leben - ein, zwei Handvoll Ausnahmen von Wolf Haas bis Daniel Glattauer bestätigen die Regel.
Mit einer Mischung aus Buchverkäufen, Stipendien, Lesungshonoraren, Preisen und Nebenjobs, die mal mehr, mal weniger mit dem Schreiben zu tun haben, geht es sich bei manchen doch aus. Wieder andere setzen auf einen Vollzeitjob und verlegen die Literatur auf Freizeit und Ferien, wie Wisser es früher tat.
Ein kleiner Rundgang durch eine beliebige Buchhandlung genügt, um zu sehen, welche Vielzahl an Krimis existiert. Es können unmöglich alle davon Bestseller werden, der Markt ist zunehmend umkämpft.
Wie sieht es mit Wissers Verkaufszahlen aus?"Von manchen Büchern wurden nur ein paar hundert Stück verkauft, von anderen mehr als 10.000. Bei den Krimis stehe ich zwar noch am Anfang, aber sie sind schon klar fünfstellig. Reich bin ich noch nicht. Aber ein kleiner Schritt ist geschafft."
Seinen Ruf ruiniert er sich als Simon Ammer nicht. In der Literaturgeschichte gibt es genug Beispiele berühmter Schriftsteller, die nebenbei auch Kriminalromane schrieben. In Zeiten florierender seichter Genres wie Young Adult oder New Adult, die eine junge Leserschaft bedienen und in der Regel nach Schema F gearbeitet sind, geht ein besserer Krimi inzwischen fast schon als Hochkultur durch. Wissers Frau hat ihn dennoch gewarnt, er solle auf Anfeindungen gefasst sein. Aber Fehlanzeige: "Ich habe Rückmeldungen verschiedenster Art erhalten, aber es kam kein Shitstorm."
Stilistisch ist das Buch ein echter Wisser, auch sein Sinn fürs Skurrile findet sich darin. Schneller schreiben sich Krimis trotzdem, erzählt er. Die meiste Arbeit war der erste Band. Nun, wo der ermittelnde Oberst Benedikt Kordesch in Serie geht, fließen die Worte leicht: "Formal ist es im Grunde ein großer Roman. Erzählposition und Struktur bleiben gleich."
Während die Textmaschine läuft, kann Wisser am Schreibtisch nebenher über politische und gesellschaftliche Fragen nachdenken, die ihn stark beschäftigen. Diese fließen dann in die Welt seiner Figuren ein.
Der Autor versucht sich, wie er selbst sagt, an einer "Beschreibung Österreichs in Zeiten einer sich anbahnenden Oligarchie". In seinem Oberst Kordesch hat Wisser, der regelmäßig politische Kolumnen für Zack-Zack verfasst, einen Verbündeten gefunden: "Auch er hat das Gefühl, dass es Dinge gibt, wo man sagen muss: Das geht so nicht."
Wissers trockener Humor richtet sich auch gegen sich selbst. Am Ende des Gesprächs erwähnt er Wolf Haas, der in der Werbung begonnen hat und über den Kriminalroman zum vielgerühmten Autor wurde.
Er gehe den umgekehrten Weg: "Man hat mir früher immer gesagt, ich bin eigentlich ein Avantgarde-Autor. Ich sinke jedes Jahr tiefer und bin jetzt in das Krimigenre hinabgestiegen."