
Barbaba Tóth in FALTER 31/2021 vom 04.08.2021 (S. 17)
Bücher, die zum Erscheinungstermin als Dystopien galten, im Abstand von einem Jahrzehnt noch einmal zu lesen ist eine interessante Erfahrung. 2009 schrieb die deutsche Autorin Juli Zeh „Corpus Delicti“, einen Prozessroman. Er erzählt die Geschichte von Mia Holl, einer talentierten 30-Jährigen, die sich vor einem Schwurgericht verantworten muss, weil sie sich nicht an die „Methode“ hält. Das System der „Methode“ hat Gesundheit zur höchsten Bürgerpflicht erklärt, Schmerz und Leid gibt es nicht mehr, Krankheiten sind großteils ausgerottet. Mias Bruder wird der Vergewaltigung und des Mordes beschuldigt und nimmt sich das Leben, Mia beharrt auf seiner Unschuld. Die Staatsanwaltschaft unterstellt den Geschwistern Holl, Mitglied der Organisation RAK („Recht auf Krankheit“) zu sein.
Im Prozess geht es – wie bei der Juristin und ehrenamtlichen Richterin am Verfassungsgericht des Landes Brandenburg Zeh oft – um das Verhältnis zwischen Grundrechten und Gesellschaft. „Corpus Delicti“ wird auch in Schulen gelesen. Im Mai 2010 legte Zeh den Band „Fragen zu ,Corpus Delicti‘“ nach, den sie aber schon vor der Pandemie fertiggestellt hatte. Trotzdem liest sich – und lesen viele – das Buch als Parabel auf die Pandemie.
In dieser Rezension ebenfalls besprochen:























