Der Horizont

Roman
176 Seiten, Hardcover
€ 18,40
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ISBN 9783446239517
Erscheinungsdatum 29.07.2013
Genre Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Verlag Hanser, Carl
Übersetzung Elisabeth Edl
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Carl Hanser Verlag GmbH & Co.KG
Vilshofener Straße 10 | DE-81679 München
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Kurzbeschreibung des Verlags

Während einer Demonstration stoßen sie in einem Metroeingang zufällig zusammen, Margaret Le Coz und Jean Bosmans. Sie, geboren in Berlin als Tochter einer französischen Mutter, hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser, er schreibt an seinem ersten Roman. Die beiden werden für kurze Zeit ein Liebespaar. Bis Margaret Hals über Kopf aus Paris flieht. Vierzig Jahre später spürt Bosmans dieser verlorenen Liebe nach. Was ihm bleibt sind seine Erinnerungen und eine konkrete Spur, die in eine Berliner Buchhandlung führt. Patrick Modianos neues Buch – in Frankreich als sein schönster Roman über das Vergehen der Zeit gerühmt – ist die Geschichte eines jungen Paares in den unruhigen sechziger Jahren.

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ISBN 9783446239517
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FALTER-Rezension

Ein Draufgänger des Schreibens

Clemens Prinz in FALTER 42/2014 vom 15.10.2014 (S. 32)

Literaturnobelpreisträger Patrick Modiano ist ein Autor
mit dem Mut zur Verirrung

Patrick Modianos Name klang für mich nach einem Rennfahrer. Ich stieß auf ihn in einem Text Peter Handkes, nachdem dieser 1985 "Une Jeunesse" ins Deutsche übertragen hatte. Damals, Ende der 80er-, Anfang der 90er-Jahre war ich ein Teenager und begann nach einer Handvoll Jahren, in denen mich lediglich Mädchen und Sport interessierten, gerade wieder zu lesen.
Das war ein zweiter Beginn, doch keine Rückkehr. Denn das Lesen davor, mit seinem ungeduldigen, eiligen Anfang – kaum war ich mit meinen knapp sieben Jahren in die Schule und bald darauf in Besitz einer zumindest notdürftigen Menge von alphabetischem Entschlüsselungswissen gekommen – war ein anderes gewesen.
Sicher weiß ich nur, dass ich sehr viel las. In der Schule hatte mich die Volksschullehrerin binnen weniger Tage in die Eselsbank verbannt, da meine Augen sie durch die vergrößernden Brillengläsern offenbar dumm anglotzten. Im Lesen konnte ich mich hingegen verstecken, vor der Schule, vor den streitenden Eltern, am besten nachts, mit der Hand stundenlang am Schalter der kleinen Bettlampe.

Erinnern kann ich mich nur an eine Handvoll der im Alter zwischen sieben und 13 Jahren verschlungenen Bücherberge. Ein paar Jahre später begann ich mit Peter Handkes Roman "Der kurze Brief zum langen Abschied", dessen erster Satz mir die Öffnung zu einem Lesen bedeutete, das bis heute nicht aufhört: "Die Jefferson Street ist eine stille Straße in Providence." Womöglich hat mit dem Blick auf diese Straße auch mein Schreiben begonnen. Was ich im Lesen bislang oft nur als Gefühl der Abkapselung kannte, ließ auf einmal ein Durchatmen zu. Die stille Straße in Providence markierte die Ausgangskoordinaten einer Bewegung, die mich von da an in jedem Lesen begleitete.
Irgendwann in dieser Zeit stieß ich bei Peter Handke auf den Namen Patrick Modiano. Lange Zeit las ich keines seiner Bücher, doch sein Name und dessen Klang blieben mir wie ein Versprechen. Er klang nach einem Draufgänger, zumindest für mich, und das war kein Zufall, denn genau danach suchte ich.
Zwanzig Jahre später sitze ich nun an einem Platz in Wien. Vor mir das aufgeschlagene Notizbuch, es ist Abend, die Luft warm. Ich denke an die Ungeheuerlichkeit, die mich erfasste, als ich nach Jahren, in ­denen ich Patrick Modiano vielleicht wirklich aufgrund des vornamensgleichen Formel-1-Fahrers Patrick Tambay für einen Draufgänger hielt, zum ersten Mal die Welt seines Schreibens betrat. Erst als Leser seiner Romane lernte ich die abenteuerliche Richtigkeit einer solchen Bezeichnung in ihrer existenziellen Bedeutung kennen.
Patrick Modiano schreibt auf eine Weise, in der es kein Widerspruch ist, "wenn einer, dessen Erinnern immer Vergegenwärtigung ist, aus tiefstem Vergessen erzählt". Gemeint ist in der hier zitierten Jurybegründung des Österreichischen Staatspreises für Europäische Literatur jenes tiefste Vergessen, in dem das Bewusste vom Unbewussten nicht zu trennen ist, das Eigene nicht vom Ererbten, das Private nicht vom Politischen.

Anders als draufgängerisch lässt sich von dort aus nicht schreiben. Dieses Draufgängertum ist in seiner Bewegung, Haltung und in seinem Atem keines jener Helden, deren Weg zum Ziel immer nur direkt und kraftstrotzend ist. Die Abenteuerlichkeit eines solchen Weges, in Leben und Literatur gleichermaßen, liegt im Mut des Abbrechens, des Neuansetzens, des Abweges und der Verirrung.
Heute mutet es manchmal an, als wären immer weniger auf diese Weise unterwegs. Was in der Literatur der Plot ist, samt seiner Ökonomie in allen dafür eindeutig zu justierenden Handlungswegen, Motivierungen und Psychologisierungen, ist im Leben das neoliberale Glücksmodell individueller Entfaltung im System der kapitalistischen Dienstleistungsgesellschaft. Sie erzeugt andere Helden, andere Geschichten und ist in ständiger Unmittelbarkeit zu Hause.
Patrick Modiano war letzten Donnerstag erst Stunden nach der Bekanntgabe der Nobelpreisvergabe telefonisch erreichbar. Er wusste noch nichts und antwortete offenbar so, wie er seine Sätze in Interviews oft unterbricht: "... c'est bizarre." Da auch bei Schriftstellern solches Verhalten gegenwärtig bereits einer Erklärung bedarf, wurde vom Hanser-Verlag verlautbart, es solle respektiert werden, dass Modiano völlig zurückgezogen lebe und den Literaturbetrieb nicht mitmache.
Vermutlich werden solche Bitten bei jenen Autorinnen und Autoren der mittleren und jüngeren Generation nicht mehr notwendig sein, deren Prosa wie ein frisch polierter Spiegel der Gegenwart mit Geschichten begegnet, deren versiert gestaltete Plots ohne Stocken und Stammeln auch jene Lesenden bei der Stange halten, deren Aufmerksamkeitvermögen angesichts digitaler Reizüberflutung immer kurzatmiger wird. Trotzdem gilt: Aus der Gegenwart kann sich niemand ausnehmen. Es wäre kindisch und blind, sein Rundum anzuprangern, um unausgesprochen, doch deutlich genug die Behauptung zu verhökern, man wäre völlig anders.

Dass Patrick Modiano, der 1945 kurz nach Kriegsende in Paris auf eine Welt kam, in der hinter allen Fassaden des Weiterlebens der Wahnsinn von Shoah und Weltkrieg irrlichterte, sich in seiner ersten Reaktion auf den Nobelpreis als Vertreter einer Übergangsgeneration bezeichnet, in der die Welt sich wenig verändert habe, dieser Satz packt einen umso mehr, je öfter man sich dessen Bedeutung angesichts der Biografie Modianos zu verdeutlichen versucht. Womöglich hat seine Einschätzung wenig mit äußeren Ereignissen zu tun, mit Kriegen, Katastrophen oder Revolutionen.
Vielleicht zielt er stattdessen auf die Frage, was bleibt, wenn die Gegenwart und ihre Wahrnehmung, wenn Sog und Sucht nach dem Aktuellen innerhalb schier unbegrenzter Informationsmöglichkeiten, auf eine Weise uferlos geworden sind, dass Vergangenheit wie Zukunft in immer größeren Teilen daran ersticken. Das Werk Patrick Modianos aber wird sich nicht so leicht abschütteln lassen und uns mit den verschlüsselten Koordinaten eines geheimen Fluchtplans begleiten, bis wir uns trauen, dem unendlich helllichten Tag ständiger Gegenwart den Rücken zu kehren und irgendwo anders hin zu gehen.

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