Das Buch gegen den Tod

352 Seiten, Hardcover
€ 30.9
-
+
Lieferung in 2-5 Werktagen

Bitte haben Sie einen Moment Geduld, wir legen Ihr Produkt in den Warenkorb.

Mehr Informationen
ISBN 9783446244672
Erscheinungsdatum 17.03.2014
Genre Belletristik/Hauptwerk vor 1945
Verlag Hanser, Carl
Nachwort von Peter von Matt
Herausgegeben von Sven Hanuschek, Peter von Matt, Kristian Wachinger
LieferzeitLieferung in 2-5 Werktagen
HerstellerangabenAnzeigen
Carl Hanser Verlag GmbH & Co.KG
Vilshofener Straße 10 | DE-81679 München
info@hanser.de
Unsere Prinzipien
  • ✔ kostenlose Lieferung innerhalb Österreichs ab € 35,–
  • ✔ über 1,5 Mio. Bücher, DVDs & CDs im Angebot
  • ✔ alle FALTER-Produkte und Abos, nur hier!
  • ✔ hohe Sicherheit durch SSL-Verschlüsselung (RSA 4096 bit)
  • ✔ keine Weitergabe personenbezogener Daten an Dritte
  • ✔ als 100% österreichisches Unternehmen liefern wir innerhalb Österreichs mit der Österreichischen Post
Kurzbeschreibung des Verlags

Zeitlebens wollte Nobelpreisträger Canetti, der sich stets als „Todfeind“ bezeichnete, dieses Buch schreiben. Mit dem Phänomen Tod hat er sich über Jahrzehnte hinweg beschäftigt, und er hat zahlreiche Anläufe unternommen, um das Thema mit seiner anthropologischen Methode einzukreisen: Canetti las Dichter und Philosophen, sammelte Märchen, Mythen und Riten. Das Buch ist die Quintessenz seiner lebenslangen Auseinandersetzung, und immer wieder kommt hier die Eleganz seines Denkens und Schreibens zum Ausdruck. Peter von Matt ergänzt dieses wichtige Buch um einen großen Essay über Canetti und dessen Todfeindschaft.

Mehr Informationen
ISBN 9783446244672
Erscheinungsdatum 17.03.2014
Genre Belletristik/Hauptwerk vor 1945
Verlag Hanser, Carl
Nachwort von Peter von Matt
Herausgegeben von Sven Hanuschek, Peter von Matt, Kristian Wachinger
LieferzeitLieferung in 2-5 Werktagen
HerstellerangabenAnzeigen
Carl Hanser Verlag GmbH & Co.KG
Vilshofener Straße 10 | DE-81679 München
info@hanser.de
Unsere Prinzipien
  • ✔ kostenlose Lieferung innerhalb Österreichs ab € 35,–
  • ✔ über 1,5 Mio. Bücher, DVDs & CDs im Angebot
  • ✔ alle FALTER-Produkte und Abos, nur hier!
  • ✔ hohe Sicherheit durch SSL-Verschlüsselung (RSA 4096 bit)
  • ✔ keine Weitergabe personenbezogener Daten an Dritte
  • ✔ als 100% österreichisches Unternehmen liefern wir innerhalb Österreichs mit der Österreichischen Post
FALTER-Rezension

Ein Dokument der Todesfeindschaft

Günter Kaindlstorfer in FALTER 11/2014 vom 14.03.2014 (S. 22)

Zeit seines Lebens rebellierte Elias Canetti gegen das Unvermeidliche. "Das Buch gegen den Tod" zeugt davon

Klar, man kann Canettis lebenslänglichen Infight gegen den Tod läppisch finden, unreif, obsessiv und in bestürzendem Maße kindisch. Schließlich hat man als mit den Begrenztheiten des Lebens ringender Agnostiker Epikurs weise Tröstungen verinnerlicht ("Bin ich, ist der Tod nicht, ist der Tod, bin ich nicht"). Man hat seinen Montaigne gelesen ("Nichts ist mehr schlimm für denjenigen, dem die Erkenntnis aufgegangen ist, dass es kein Unglück ist, nicht mehr zu leben").
Man hat in der Auseinandersetzung mit den vitalsten Köpfen der Philosophiegeschichte erkannt, dass das Dasein in seiner unerschöpflichen Farbigkeit seinen Wert erst vor der Folie des Todes gewinnt, dass Werden und Vergehen zu den Gesetzmäßigkeiten der Natur gehören und dass die Angst vor dem Tod, wie Psychoanalytiker behaupten, die ja bekanntlich alles wissen, letztlich nur Angst vor dem Leben sei.
Klar, all das weiß man.
Und dann stirbt einem die Frau weg, durch einen Autounfall oder ein geplatztes Aneurysma, beim fünfjährigen Kind der netten Nachbarsfamilie wird Knochenkrebs diagnostiziert, deine Mutter kriegt Alzheimer, und der beste Freund seit Jugendtagen, der, mit dem du vor 35 Jahren John-Lennon-Songs auf der Gitarre gezupft hast, geht eines Abends in den Wald und hängt sich auf, und du stehst vor einem schwarzverhängten Katafalk in der Einäscherungshalle und schaust zu, wie sich der Sarg des Freundes mit diskretem Surren in den Verbrennungsofen senkt.
Dann bist du reif für Canetti.

Sein Leben lang hat der Nobelpreisträger – ein "Todfeind" im Wortsinne – gegen das Faktum der Sterblichkeit rebelliert. Canetti hasste den Tod, er wehrte sich mit obsessiver Verbissenheit dagegen, die Endlichkeit des Lebens zu akzeptieren. "Es ist um jeden schade", notierte er 1951. "Niemand hätte je sterben dürfen."
Neun Jahre zuvor, 1942, hatte der Schriftsteller in London mit der Arbeit an seinem unvollendeten Lebensprojekt begonnen, einem monumentalen Anti-Todes-Buch, in dem er jahrzehntelang mit grimmiger Beharrlichkeit gegen das Wirken des Knochenmanns anschrieb. Jahr um Jahr, von 1942 bis zu seinem nicht zu verhindernden Ableben 1994, hat Canetti Material für dieses Totenbuch zusammengetragen, er hat tausende und abertausende von Notaten und Statements, Aphorismen, Geschichten und Exzerpten auf kleine, handliche Blöcke stenografiert, mit den penibel gespitzten Bleistiften, die auf seinem Schreibtisch zur Fixierung jäh einschießender Geistesblitze stets bereitlagen.

Jetzt hat Canettis Tochter Johanna zusammen mit Sven Hanuschek, dem Biografen des Schriftstellers, und einem kleineren Editorenteam aus mehreren tausend Notaten eine Lesefassung des großen Todesbekämpfungsbuchs zusammengestellt, ein, wenn man so will, fragmentarisches Gegenstück zu "Masse und Macht". Dieses "Buch gegen den Tod", 350 Seiten dick, umfasst ein Achtel der Canetti'schen Aufzeichnungen zum Thema, zum Teil sind diese Notizen bereits in anderen Canetti-Editionen publiziert worden, zu zwei Dritteln allerdings nicht.
"Das Buch über den Tod ...", seufzt Canetti 1986, "ist immer noch mein eigentliches Buch. Werde ich es endlich in einem Zuge niederschreiben?" Jahrzehntelang hat der Autor um eine schlüssige Form für das Wahnsinnsprojekt gerungen, 1988 scheint er ein für alle Mal zu resignieren: "Pensées gegen den Tod. Das einzig Mögliche: sie müssen Fragmente bleiben. Du darfst sie nicht selbst herausgeben. Du darfst sie nicht redigieren."
Hat er auch nicht. Canetti hat diese Aufgabe seiner Tochter hinterlassen, und die hat, zusammen mit dem Editorenteam, gute Arbeit geleistet. Der Band präsentiert sich keineswegs als öder Textsteinbruch, in dem dann und wann ein aphoristischer Edelstein, eine epigrammatische Gemme aufblitzt. Nein, dieses Buch ist, bei aller Bruchstückhaftigkeit, ein erstaunlich klares Dokument der Todesfeindschaft, ein Konvolut kristallklarer Sätze, dem gerade das Unabgeschlossene seinen Witz und seine existenzielle Sprengkraft verleiht.
Wovon ist die Rede in Canettis Aufzeichnungen? Der Schriftsteller lässt seine thanatophoben Ängste Revue passieren, er analysiert die sophokleische "Elektra" und beschäftigt sich mit der angeblichen Todesresistenz von Ameisen, er beschreibt ein "Himmelsbegräbnis" in Tibet, in dem die Hochlandbewohner die Leichen ihrer Lieben an Geier verfüttern, und geht den bizarren Sterberitualen der Aborigines nach.
Schon auf den ersten Seiten macht Canetti klar, dass ihm der Kampf gegen den Tod ein echtes existenzielles Anliegen ist: "Heute vor fünf Jahren ist meine Mutter gestorben", schreibt er am 15. Juni 1942: "Kann ich wirklich fünf Jahre gelebt haben, und sie weiß von nichts? Ich will sie aus dem Sarg zurückholen, und müßte ich jede Schraube mit den Lippen wieder aufdrehen. Ich weiß, daß sie tot ist. Ich weiß, daß sie verfault ist. Aber ich werde es nie wahrhaben. Ich will sie wieder lebendig machen. Ich will alle Worte wiederhaben, die sie je gesagt hat ... Ich will die Spiegel zusammenstückeln, die einmal ihr Bild geworfen haben. Ich will jede Silbe kennen, die sie hätte sagen können, in jeder Sprache."

Neben solchen Totenklagen der pathetischen Art finden sich ironische Sottisen gegen sich selbst ("ich habe es so schwer, ich lebe gern") und funkelnde Aphorismen, die sich in ihrer spöttischen Brillanz selbst ad absurdum führen: "Wer über den Tod geistreiche Dinge sagen kann, wer das über sich bringt, der verdient ihn."
Das Anschreiben gegen den Tod scheint in Canettis Alltag den Charakter eines Rituals gewonnen zu haben, eines Abwehrzaubers gegen die bezwingende Macht des Todes, die vor allem auch eine Macht des Denkens an den Tod ist. Was dieses Buch am wenigsten bietet, ist Trost. Der Tod, das unumstößliche Faktum, dass wir und die, die wir lieben, eines Tages sterben müssen, vielleicht schon morgen, ist und bleibt ein Skandal.

weiterlesen