Sturmhöhe

640 Seiten, Hardcover
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ISBN 9783446250666
Erscheinungsdatum 09.05.2016
Genre Belletristik/Hauptwerk vor 1945
Verlag Hanser, Carl
Übersetzung Wolfgang Schlüter
Herausgegeben von Wolfgang Schlüter
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Carl Hanser Verlag GmbH & Co.KG
Vilshofener Straße 10 | DE-81679 München
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Kurzbeschreibung des Verlags

Cathy Earnshaw und ihr Stiefbruder, das Findelkind Heathcliff, sind einander bedingungslos zugetan und beide gleichermaßen wild und kompromisslos. Als ihre Freundschaft zu Liebe wird, beginnt eine Tragödie auf Leben und Tod. Cathy heiratet den Sohn der wohlhabenden Nachbarn, und Heathcliff verlässt gedemütigt die Gegend. Drei Jahre später kehrt er als reicher Mann zurück und versucht Cathy für sich zu gewinnen; ihre alte Liebe flammt wieder auf. Wolfgang Schlüter hat diesem Klassiker der englischen Literatur mit seiner Neuübersetzung eine faszinierende Gestalt gegeben: bedrohlich, leidenschaftlich, ausdrucksstark.

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FALTER-Rezension

Leidenschaft schafft Leiden

Klaus Nüchtern in FALTER 23/2016 vom 10.06.2016 (S. 29)

Emily Brontës „Sturmhöhe“ ist einer der irrsten Romane der Weltliteratur und soeben neu übersetzt worden

Eine 29-jährige Frau, die von der Welt außerhalb des heimatlichen Yorkshire nicht viel gesehen hat, die als extrem introvertiert und eigenbrötlerisch beschrieben wird und nach allem, was man weiß, nie verliebt gewesen ist, geschweige denn erotische Erfahrungen gesammelt hätte, veröffentlicht im Jahr 1847 unter Pseudonym einen Roman, der als eine der größten Liebesgeschichten aller Zeiten ins kollektive Gedächtnis eingehen wird.

Wer sich hinter dem Pseudonym Ellis Bell verbirgt, wird zu Lebzeiten der Autorin niemand zur Kenntnis nehmen: Ein Jahr nach dem Erscheinen von „Sturmhöhe“ stirbt Emily Brontë an den Folgen einer Lungenentzündung.

Keine Frage, Leben und Werk von Emily Brontë sind genau der Stoff, aus dem Legenden gewoben werden. Der Mythos von der einhelligen Ablehnung des Romans durch die Zeitgenossen ist dennoch unhaltbar. Selbst die Kritiker, die von der Düsternis der Handlung, dem Extremismus der Emotionen und der Krassheit der Sprache sichtlich schockiert waren, konzedieren dem Roman eine „große“, „beachtliche“ oder „beträchtliche“ Kraft.
Ungeschlacht, unrealistisch, dilettantisch und geschmacklos sei das alles, aber gerade das nötigt den Rezensenten sichtlich auch Respekt ab. Die Charaktere, so urteilt einer von ihnen, seien „so neuartig, so wüst grotesk, so gänzlich kunstlos, dass sie uns vorkommen, als entsprängen sie einem Geiste von zwar beschränkter Erfahrung, aber originärer Energie und einzigartigem und distinktem Zuschnitt“. Auch Emilys ältere Schwester Charlotte, die mit ihrem gleichzeitig erschienenen Roman „Jane Eyre“ zunächst wesentlich erfolgreicher war (siehe Falter 15/16: „All You Need Is: Love, Love, Love“), schlug in dieselbe Kerbe und betonte „die unreife, aber doch ausgesprochen reale Kraft, die sich in ,Wuthering Heights‘ kundtat“.
Dagegen muss aus heutiger Sicht eingewandt werden, dass es gerade das vermeintlich Mangelhafte und Kunstlose ist, das den ästhetischen Rang und das ungebrochene Faszinosum dieses längst dem Kanon der Weltliteratur einverleibten Werkes ausmacht. Die Authentizität, die „Sturmhöhe“ zugebilligt wird, ist jedenfalls eine ästhetisch vermittelte und hochartifizielle. Insofern passt es schon wieder ganz gut, dass die wunderbare hyperhysterische Heulboje Kate Bush mit der Debütsingle „Wuthering Heights“ (1978) ihren einzigen Number-One-Hit landete. Und es ist bezeichnend, dass sie, als sie ihn schrieb, den Roman gar nicht gelesen hatte.
Die Kulturwissenschaftlerin Hila Shachar hat Bushs Song als eine „Metapher“ für jene kulturelle Aneignung von Brontës Roman bezeichnet, in welcher die Love-Story nicht nur zwischen Mann und Frau stattfindet, sondern sich auch auf eine „,Heimat‘ im Sinne von Zugehörigkeitsgefühl, Identität und kulturellem Erbe“ beziehe.
Aber selbst die Liebesgeschichte im engeren Sinne wurde überformt und umgeschrieben. Einige der Verfilmungen und Fernsehfassungen – Shachar listet 25
Adaptionen zwischen 1920 und 2011 auf, unter ihnen auch Buñuels „Abismos de Pasión“ (1953), Jacques Rivettes „Hurlevent“ (1985), eine japanische, indische, philippinische und türkische Version sowie eine mexikanische Telenovela – haben die Hälfte des Romans einfach weggelassen.

Das gilt auch für William Wylers berühmte Verfilmung von 1939 mit Laurence Olivier und Merle Oberon. Das ikonische Standfoto stilisiert Heathcliff und Catherine als „Hilltop Lovers“ (Shachar) in der ruppig-romantischen Landschaft Yorkshires zum erhabenen Liebespaar. Darüber hinaus transportiert die Hollywood-Verfilmung des britischen Literaturklassikers zu Beginn des Zweiten Weltkriegs auch einen politischen Subtext.
Zum einen fungiert er als „kultureller Dialog“, in dem England als Bastion westlicher Werte und Amerika als deren Erbe beschworen wird; zum anderen inszeniert er Heathcliffs Körper – in Analogie zu jenem des idealen Soldaten – als Schauplatz männlichen Schmerzes. Auf diese Weise wird Heathcliff in einen noblen Helden transformiert, der in einen stoischen Kampf mit sich selbst verwickelt ist.
Durch dergleichen Glättungen aber wird der Roman just um das gebracht, was an ihm bis heute irritiert. In seinem Aufsatz über „Die Schwestern Brontë“ (1934) hat es Klaus Mann auf den Punkt gebracht: „Die Handlungen der Menschen und ihre Reaktionen sind von einem unzivilisierten Radikalismus, all ihre Gebärden durch die Einsamkeit, die ihr Hintergrund ist, übertrieben, maßlos gemacht.“ Wer die Vereinigung des Liebespaares im Jenseits – Heathcliff überlebt die Geliebte um ganze 18 Jahre – als erlösende Schlussapotheose des Romans liest, läuft Gefahr, all das zu übersehen, was diesen zutiefst seltsamen und verstörenden Roman ausmacht.

Da wäre zunächst Heathcliff selbst, der in der Tat „heillos“ bleibt, wie Charlotte Brontë bereits im Vorwort zur Neuausgabe von 1850 anmerkte. Dessen einziges menschliches Gefühl sei eben „nicht seine Liebe zu Catherine, die eine barbarische und unmenschliche Leidenschaft ist“, sondern „seine roh gebeichtete Neigung für Hareton Earnshaw“.
Hareton, das ist – um jetzt auch einmal auf die ziemlich verwirrende Genealogie des Romans zu sprechen zu kommen – der Sohn von Catherines Bruder Hindley, einem selbstzerstörerischen Trunkenbold, dem Heathcliff im Spiel das Anwesen abknüpfen und schließlich sowohl Wuthering Heights als auch Trushcross Grange, den Sitz der Lintons, in seinen Besitz bringen wird.
In der Verfilmung von 1939 (aber auch in jener von 1970) kommt dieser Hareton gar nicht vor. Dabei ist er eine Schlüsselfigur, ohne die das Ethos der Versöhnung, das nicht nur dem Liebes- und Heirats-Plot, sondern der ganzen Konstruktion des Romans unterlegt ist, nicht exekutiert werden könnte.
Darüber hinaus verdanken wir Hareton auch eine bemerkenswerte Szene, in der die nicht übermäßig zum Scherzen aufgelegte Autorin ihr Faible für bizarre Gewalttätigkeit mit grimmiger Komik in Szene setzt. Als das gegen den Zugriff des ausnahmsweise zu Zärtlichkeit aufgelegten Hindley – „Küß mich, Hareton! Scheiße, küß mich!“ – anstrampelnde Kind den väterlichen Armen entgleitet und übers Stiegengeländer in die Tiefe stürzt, ist just in diesem Moment Heathcliff zur Stelle, um den Buben seines Todfeindes „dank einem natürlichen Impuls“ aufzufangen und im selben Moment einzusehen, welche Chance er sich da hat entgehen lassen: „Ein Geizknochen, der ein 5-Shilling-Lotterielos verschmäht und am nächsten Tag sieht, daß er einen Gewinn von fünftausend Pfund eingebüßt hat, könnte keinen entgeisterteren Ausdruck zeigen.“

Als Findling unbekannter Abkunft, der immer wieder als „Zigeuner“ charakterisiert wird, ist Heathcliff der Außenseiter des Romans. Einer marxistisch und postkolonial inspirierten Lesart passt er als Vertreter der sozial Deklassierten und ethnisch Diskriminierten gut in den Kram, und dagegen ist auch gar nichts zu sagen. Für Terry Eagleton etwa ist Catherines Entscheidung, nicht Heathcliff, sondern Edgar Linton zu ehelichen, ein von Standesdünkel gelenkter opportunistischer Akt, der vom Betrogenen zu Recht „als spiritueller Suizid und Mord“ denunziert werde.
In der Tradition marxistischer Religions- und Ideologiekritik, für die das religiöse Elend „in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend“ ist (Karl Marx), argumentiert Eagleton, dass sich die Liebe zwischen Heathcliff und Catherine nur metaphysisch und mythologisch artikulieren könne: „Was Heathcliff Catherine anbietet, ist eine nicht- oder prä-soziale Beziehung als einzige authentische Möglichkeit, in einer Welt der Ausbeutung und Ungleichheit zu leben.“
Das macht Eagleton zufolge auch den Unterschied zwischen „Sturmhöhe“ und „Jane Eyre“ aus: In Charlottes Roman integriert die Liebe das Paar in die Gesellschaft, bei Emily vertreibt sie es aus dieser.
Die Leser von Jane Eyre befinden sich gleichsam auf Augenhöhe mit der Heldin, die ihnen als Ich-Erzählerin ihre Leidenschaften moderiert und in die rechte ­Pers­pektive rückt. Wir wissen stets, woran wir sind und was wir von den handelnden Personen zu halten haben. In „Sturmhöhe“ fehlt diese Instanz. Die Leser müssen selbst entscheiden, ob Heathcliff ein romantischer Held oder ein perverses Scheusal, ­Catherine eine Schmerzensmadonna der Liebe oder im Grunde genommen ein verzogener Fratz ist – nicht zu Unrecht hält ihr sogar ­Heathcliff ihre „infernalische Selbstsucht“ vor.
Diese Fragen führen direkt in die Schaltzentrale des Romans, wo eine Frau namens Ellen/Nelly Dean an den Hebeln sitzt. Sie ist es nämlich, die einem gewissen Mr. Lockwood – er tritt in der Rahmenhandlung als Mieter von Trushcross Grange auf – die drei Generationen und drei Jahrzehnte umfassende Geschichte der Earnshaws und der Lintons erzählt – ein ebenso offenkundiges wie mysteriöses Faktum, das von den meisten Interpreten mit ambitionsloser Ratlosigkeit zur Kenntnis genommen wird. Als eine von wenigen hat sich die Literaturwissenschaftlerin Lisa Sternlieb die naheliegende Frage gestellt, warum diese Frau kaum je als die eigentliche Hauptfigur von „Sturmhöhe“ wahrgenommen wird.

„Sturmhöhe“ ist ein äußerst komplex gebauter Roman, der tagebuchartige Einträge, Träume, vollständig zitierte Briefe, ausführliche Dialoge, mehrere Ich-Erzähler und wie russische Puppen ineinandergeschachtelte Erzählungen umfasst. Die Fäden aber laufen alle bei Nelly Dean zusammen, die in „Sturmhöhe“ nicht nur als Erzählerin, sondern auch noch als Haushälterin, Kindermädchen und Ersatzmutter fungiert und als mehr oder weniger klandestine Strippenzieherin in die verschiedenen Liebesplots involviert ist. Darüber hinaus ist sie die einzige Figur, die sich zwischen den beiden Welten von Wuthering Heights und Thrush­cross Grange bewegen kann, die sozialhistorisch für die traditionelle Landwirtschaft und den aufstrebenden Kapitalismus der Grundbesitzer stehen.
Kurz und gut, Nelly Dean ist beinahe so etwas wie die gesellschaftliche Zentral­instanz, die als einzige zwischen den erratischen Leidenschaften der Protagonisten zu vermitteln sucht. Selbst kinderlos ist sie in der „katastrophalen Mutterlosigkeit“ (Sternlieb) des Romans zu verschiedenen Zeiten für die Versorgung und pädagogische Begleitung eines halben Dutzends Waisen und Halbwaisen verantwortlich, von denen ausnahmslos alle als verhaltensauffällig eingestuft werden dürfen und auch in dem zwei Jahre vor „Sturmhöhe“ erschienenen „Struwwelpeter“ des deutschen Psychi-
aters Heinrich Hoffmann gute Figur gemacht hätten.
Im Abseits des Liebesplots läuft in dem Roman auch so etwas wie eine „Nature/Nurture“-Debatte, wird die Frage verhandelt, inwieweit der jeweilige Charakter angeboren oder von Umweltfaktoren geprägt ist. Vom 16-jährigen Heathcliff, der mit sieben Jahren als „ein verdrossenes, geduldiges Kind“ und „womöglich abgehärtet gegen schlechte Behandlung“ in die Earn­shaw-Familie aufgenommen wurde, heißt es: „Vor allen hatte er damals den Nutzen seiner früheren Erziehung eingebüßt – dauernde harte Arbeit von früh bis spät hatten in ihm jegliche Neugier auf Wissen, die er einst besessen, und alle Liebe zu Büchern und Lernen erstickt.“

Es sieht so aus, als hätte Emily eindeutig die Nurture-Position vertreten, und es ist bezeichnend, dass die finale Versöhnung zwischen den beiden Familien durch einen Akt pädagogischer Anstrengung initiiert wird: „,Im Ge-gen-teil!‘ sagte eine Stimme, so süß wie ein Silberglöckchen. ,Zum drittenmal, du Dösbaddel! Ich sags nicht noch einmal – merks dir oder ich ziep dich an den Haaren!‘ ,Also: Im Ge-gen-teil‘, antwortete eine andere, tiefe, aber sanft klingende. ,Und jetzt küß mich. Weil ich so gut aufgepaßt habe.‘“
Indem Cathy ihrem morosen, um sechs Jahre älteren Cousin Hareton das Lesen beibringt, setzt sie ihn symbolisch auch als Erben von Wuthering Heights ein, wo über der Eingangstür die Jahreszahl 1500 und der Name „Hareton Earnshaw“ eingemeißelt ist.
Vor dieser Kulturleistung kapituliert nun sogar die Natur. Lockwood, der die ironisch als „prächtig“ bezeichnete Landschaft Yorkshires im ersten Absatz noch als „perfekte Zuflucht für Misanthropen“ bezeichnet hat und nach seiner ersten Nacht auf Wuthering Heights über das verschneite Moor nach Trushcross Grange zurückirrt, findet am Friedhof nun auch meteorologisch befriedete Verhältnisse vor: „Unter dem gütigen Himmel schlenderte ich um die Gräber – sah die Nachtfalter flattern zwischen Haide (sic!) und Glockenblumen – lauschte auf den Atem des sachten Windes im Gras – und wunderte mich, wie jemand sich je vorstellen könne, daß die Schläfer nicht friedlich ruhten in dieser stillen Erde.“

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