Die rothaarige Frau

Roman
288 Seiten, Hardcover
€ 22.7
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ISBN 9783446256484
Erscheinungsdatum 25.09.2017
Genre Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Verlag Hanser, Carl
Übersetzung Gerhard Meier
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Carl Hanser Verlag GmbH & Co.KG
Vilshofener Straße 10 | DE-81679 München
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Kurzbeschreibung des Verlags

Als er die Schauspielerin zum ersten Mal im Theaterzelt sieht, ist Cem nur der einfache Lehrling des Brunnenbauers Murat. Sie ist schön, ihr rotes Haar leuchtet wie Feuer. Je mehr der Lehrling sich zu der Rothaarigen hingezogen fühlt, desto mehr entfremdet er sich von Meister Murat, der für ihn wie ein Vater geworden war. Als ein schrecklicher Unfall passiert, flieht Cem nach Istanbul. Jahrzehnte später kehrt er an jenen Brunnen zurück, wo er etwas Ungeheures entdeckt. – Orhan Pamuk erzählt mit klassischer Wucht eine Geschichte von Vätern und Söhnen, von Liebe und Verrat, von Schuld und Sühne in der Türkei, einem Land, das noch immer zwischen Tradition und Moderne zerrissen ist.

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FALTER-Rezension

Ödipus remixed

Ulrich Rüdenauer in FALTER 41/2017 vom 13.10.2017 (S. 23)

In „Die rothaarige Frau“ rekapituliert Orhan Pamuk antike Stoffe und die jüngste Geschichte der Türkei

Ein paar Meter sind es zunächst nur, und nach wenigen Tagen schon weit über zwanzig: So tief hinab gräbt sich der Brunnenbauer Mahmut auf der Suche nach Wasser, und sein Geselle Cem, der auch als Ich-Erzähler fungiert, leistet unter der anatolischen Sonne an der Seilwinde Schwerstarbeit, wenn er die Eimer voller Erde ans Tageslicht befördert. Aus der unheimlichen Dunkelheit schallen Cem die Anweisungen des Meisters entgegen – mahnende und aufmunternde Worte, als kämen sie aus einer anderen Welt, aus dem Unbewussten.
Auf gewisse Weise füllt Meister Mahmut eine Leerstelle in Cems Leben, denn dessen Vater, ein politischer Aktivist und Apotheker, hat sich eines Tages einfach aus dem Staub gemacht. Mahmut ist im Gegensatz zum geheimniskrämerischen Vater ein geradliniger Mann mit klaren Vorstellungen. Ein Macher, der obendrein einigen Einfluss auf seinen Schützling hat.
Cem bewundert den Brunnenbauer, und zugleich scheint er diesem Vaterersatz nicht ganz zu trauen. Als im Dorf Öngören, wo die beiden auf Wasser zu stoßen hoffen, eine fahrende Theatertruppe Station macht, verliebt sich der 16-Jährige Hals über Kopf in eine der Schauspielerinnen, eine weitaus ältere Frau. Er sucht ihre Nähe und wird von ihr schließlich verführt.

Zugleich hegt Cem freilich den Verdacht, dass auch Mahmut ein Auge auf die rothaarige Schönheit geworfen hat. Und als es auf der Baustelle zu einem Unfall kommt, lässt Cem den verletzten Mahmut im Schacht zurück und flieht nach Istanbul – weg vom Meister, der ihn für den Rest des Romans als peinigende Erinnerung verfolgen wird, weg auch von der Geliebten, zurück zu Muttern. Eine Ruhmestat ist das nicht.
Diese Geschichte entfaltet Orhan Pamuk auf den ersten 120 Seiten seines jüngsten Romans „Die rothaarige Frau“. Dem Autor eilt nicht unbedingt der Ruf voraus, die Leser über seine erzählerischen Absichten im Unklaren zu lassen, und man muss sich wahrlich keine Lehranalyse unterzogen haben, um die Problematik der Konstellation zu entschlüsseln.
„Je mehr ich mich zurückerinnere“, bekennt der Ich-Erzähler viele Jahre nach den Ereignissen dieses prägenden Sommers im Jahr 1985, „umso mehr gerate ich in das Erlebte wieder hinein. So ist mir denn, als würden auch Sie allmählich damit vertraut gemacht, was es bedeutet, Vater zu sein, und was es bedeutet, Sohn zu sein.“

Der durch den ganzen Roman hindurch thematisierte Konflikt zwischen Vätern und Söhnen wird illustriert durch diverse Mythen, die auch schon in früheren Büchern von Pamuk eine Rolle spielten. Cem erzählt dem Meister an einem der gemeinsamen Abende Sophokles’ Ödipus-Legende (!), und die Theatertruppe führt eine Sage aus dem persischen Heldenepos „Schahname“ auf. Die Geschichte von Rostam und Sohrab ist eine umgekehrte Version der antiken Erzählung: Hier ist es der Vater, der seinen Sohn tötet.
Um diese beiden Mythen dreht sich fortan alles. Cem versucht den vermuteten Tod des Meisters zu verdrängen. Er studiert Geotechnik, statt Schriftsteller zu werden, wie er es sich einstmals vorgenommen hat. Er ist strebsam und heiratet eine ebenso karrierefreudige Frau. Die beiden bleiben kinderlos. Sie machen einträgliche Immobiliengeschäfte, die ihnen Wohlstand bescheren. Nebenbei teilen sie die Leidenschaft für die Sagen des „Schahname“, insbesondere für die Geschichte von Rostam und Sohrab. Sie studieren alte Handschriften, suchen nach den unterschiedlichen Ausgaben des Werks.
Es ist eine glückliche Ehe, ein privilegiertes Leben, das Pamuk im zweiten Teil des Romans in großem Bogen beschreibt. Mahmut scheint fast vergessen. Wir wissen allerdings spätestens seit Freud, dass das Unheimliche im Heimeligen lauert – und man früher oder später von der Vergangenheit heimgesucht wird. Cem jedenfalls wird einige Überraschungen erleben – und noch einmal mit der rothaarigen Frau zusammentreffen, mit der all die Jahre, ohne es zu wissen, auf ungeahnte und gleich mehrfache Weise verbunden war.
Orhan Pamuk, der 2006 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde und heute 65 Jahre alt ist, hat bei dieser vertrackten, klassischen, in die Gegenwart transponierten Tragödie ziemlich dick aufgetragen. Zwar ist die Handlung penibel konstruiert, aber dem Leser werden allzu viele Deutungsangebote frei Haus mitgeliefert: „An Vätern mangelt es nicht in diesem Land. Vater Staat. Gottvater. Die Generäle spielen sich als Väter auf, und sogar die Mafia. Ohne Vater kann hier keiner leben“, heißt es an einer Stelle.

Die „Schahname“-Sage steht also für die archaische Welt, die strengen Gehorsam vom Sohn verlangt – big father is watching you. Ödipus hingegen verkörpert den ­Aufbruch, den Westen, die Moderne, der Vatermord ist also auch ein Akt der Befreiung.
Zugleich aber droht das moderne Individuum, im „Dschungel der Stadt“ unterzugehen. Vater- und orientierungslos streift der innerlich zerrissene Cem umher und sucht vergeblich nach einem Menschen, der ihm Halt gibt. In seinem Sohn, der sich auf alte Werte und die Religion besinnt, bricht dieser innere Konflikt gefährlich auf.
Es ist wohl nicht übermäßig kühn, „Die rothaarige Frau“ als eine Mentalitätsgeschichte der türkischen Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten zu lesen. Aber selbst wenn man der ausschweifenden Erzähllust des Autors und den tragischen Wendungen dieser modernen Sage gerne folgt, so bleibt angesichts des wenigen subtilen Überbaus des Romans doch ein schaler Nachgeschmack zurück.

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