Das Geschlecht der Seele

Hugo von Hofmannsthal, Bert Brecht und die Erscheinung der modernen Frau
304 Seiten, Hardcover
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ISBN 9783446256743
Erscheinungsdatum 21.08.2017
Genre Geschichte/Kulturgeschichte
Verlag Hanser, Carl
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Carl Hanser Verlag GmbH & Co.KG
Vilshofener Straße 10 | DE-81679 München
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Kurzbeschreibung des Verlags

Im Theater hatte die moderne Frau ihren ersten Auftritt. Hier wurde das Verhältnis der Geschlechter neu bestimmt. Wenn Gertrud Eysoldt, gebückt und mit offenen Haaren, die Szene betrat, verkörperte sie das ganze Elend der Elektra. Hugo von Hofmannsthal hatte ihr die Rolle auf den Leib geschrieben. Er nennt Schauspielerinnen die „Interpreten des neuen seelischen Verhaltens“. 20 Jahre später ist Bert Brecht Stückeschreiber und Regisseur. Mit Helene Weigel und Carola Neher zeigt er die kalte Frau, die auch in der Liebe an die Nützlichkeit denkt. Neher und Weigel sind Brechts Instrumente einer Kunst, die im 20. Jahrhundert auch Politik ist: Von diesem Bündnis handelt Karin Wielands neues Buch.

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FALTER-Rezension

Als die Frauen im Theater noch die Hosen anhatten

Wolfgang Kralicek in FALTER 11/2018 vom 14.03.2018 (S. 20)

Karin Wieland weiß, was Hugo von Hofmannsthal und Bertolt Brecht gemeinsam haben: den Hang zur modernen Frau

Obwohl Bertolt Brecht und Hugo von Hofmannsthal Zeitgenossen waren, scheinen sie verschiedenen Epochen zu entstammen. Der konservative Hofmannsthal (1874–1929) residierte als hypersensibler Dichterfürst in einem Rodauner Barockschlösschen; der klassenkämpferische Brecht (1898–1956) zog mit Lederjacke durch die Betten von Babylon Berlin. Beide kamen von der Lyrik und wurden als Dramatiker berühmt, und das Theater ist auch das Feld, das der Berliner Politologin und Autorin Karin Wieland die These für ihre biografische Studie „Das Geschlecht der Seele“ liefert. „Hugo von Hofmannsthal, Bert Brecht und die Erscheinung der modernen Frau“ lautet der Untertitel. Für Wieland ist es ein neues Frauenbild, das die so ungleichen Autoren verbindet. Und die Frauen, die es verkörpern, sind Schauspielerinnen.

Hugo von Hofmannsthal hatte seinen Durchbruch als Dramatiker 1903 mit der Sophokles-Nachdichtung „Elektra“, die Max Reinhardt in Berlin zur Uraufführung brachte. Die Titelrolle spielte die Ausnahmeschauspielerin Gertrud Eysoldt, der Hofmannsthal das Stück auf den Leib gedichtet hatte. Als Eysoldt dem Dichter mitteilt, wie tief bewegt sie von der Lektüre war („Ich liege zerbrochen davon – ich leide – ich leide – ich schreie auf unter dieser Gewaltthätigkeit …“), nimmt Hofmannsthal das extra dry zur Kenntnis: „Wenn man von der etwas übertriebenen Sprache absieht, so glaube ich annehmen zu dürfen, dass sie sich für die Rolle interessiert und sie gern spielen wird“, schreibt er seinem Freund Hermann Bahr.

Die Schauspielerin hat lang darunter gelitten, dass sie mit ihrem knabenhaften Körper und ihren herben Gesichtszügen nicht ins klassische Rollenfach passte und hauptsächlich als Naive besetzt wurde. Erst Max Reinhardt entdeckt ihre Qualitäten, und in den modernen Stücken von Ibsen, Strindberg oder Wedekind finden sich Rollen für sie.
Die Uraufführung der „Elektra“ ist ein Triumph für Hofmannsthal und Eysoldt, die die Titelrolle à la DÖF anlegt: Hässlich, ich bin so hässlich, ich bin der Hass. Sie spielt nicht die hassende Tochter, die den Bruder zum Muttermord treibt, sie spielt den Hass selbst. „Eysoldts Körpersprache erinnert mehr an ein Tier als an einen Menschen“, schreibt Wieland.
Die emotionalen Exzesse der Bühne sind dem kühlen Hofmannsthal zwar ein wenig suspekt, sie faszinieren ihn aber auch sehr. In dem erstaunlich innigen Briefwechsel, der sich nach „Elektra“ zwischen dem Autor und Eysoldt entspinnt, will er von der Schauspielerin etwa genau wissen, wie das sei, die Hedda Gabler zu spielen. Gertrud Eysoldts Kunst hat Hugo von Hofmannsthal die Augen dafür geöffnet, was Theater ausmacht.
Bertolt Brecht war, anders als Hofmannsthal, ein Mann des Theaters und ein Mann der Frauen. Seine Mitarbeiterinnen wurden meist auch seine Liebhaberinnen, oder umgekehrt. Nur in der Schauspielerin Carola Neher, die in der „Dreigroschenoper“ die Polly spielte, fand er seine Meisterin. „Neher ist die einzige Geliebte Brechts, die sich nicht in sein Produktionsliebeskollektiv einfügen will“, konstatiert Wieland. „Neher kennt keine Skrupel. Sie handelt in der Liebe, wie sie das Lied von der Seeräuberjenny singt: eisig und fast schon gemein.“ Die mondäne Neher ist der Inbegriff der modernen Frau, Glamour und politisches Theater sind für sie kein Widerspruch.

Wielands Buch liest sich auch deshalb so gut, weil die Autorin ihre These nicht wissenschaftlich korrekt ausbuchstabiert, sondern ihr Material erzählerisch ausbreitet und für sich sprechen lässt. Im Zuge der #MeToo-Debatte ist das Theater als unzeitgemäße Bastion patriarchalen Machtmissbrauchs in Verruf geraten. Dieses stilistisch brillante Buch erinnert daran, dass das Theater ein Ort sein kann, der Frauen stark macht. Carola Neher hat es so formuliert: „Es mag anmaßend von einer Schauspielerin klingen, aber es ist so: Am Theater herrscht die Frau, sie hat die Hosen an – auch ohne sie anzuhaben.“

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