Connemara

Roman
432 Seiten, Hardcover
€ 26.8
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ISBN 9783446273771
Erscheinungsdatum 26.09.2022
Genre Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Verlag Hanser Berlin in Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
Übersetzung Lena Müller, André Hansen
Sammlung Besser lesen mit dem FALTER - Die Bücher zum Podcast Folge 51-100
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HerstellerangabenAnzeigen
Carl Hanser Verlag GmbH & Co.KG
Vilshofener Straße 10 | DE-81679 München
info@hanser.de
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Kurzbeschreibung des Verlags

Nach dem Bestseller „Rose Royal“ schreibt Goncourt-Preisträger Nicolas Mathieu über eine moderne Madame Bovary, die ihre Fesseln abstreift.

Hélène ist fast vierzig Jahre alt. Sie hat Karriere gemacht, geheiratet, zwei Töchter bekommen und lebt in einem Architektenhaus in der Nähe von Nancy. Sie hat sich den Traum ihrer Jugend erfüllt: abhauen, das Milieu wechseln, erfolgreich sein. Christophe hingegen hat die kleine Stadt im Osten Frankreichs, in dem er und Hélène aufgewachsen sind, nie verlassen. Er verkauft Hundefutter und führt ein unentschlossenes kleines Leben. Bis er Hélène wiedertrifft.
"Connemara" ist eine Geschichte über das tiefe Unbehagen der Klassenaufsteiger und über unsere moderne Arbeitswelt zwischen PowerPoint und Open Space. Es ist auch eine Geschichte über das Zittern in der Mitte des Lebens, und über die Sehnsucht, noch mal von vorne zu beginnen. Nur dass bei Nicolas Mathieu das Politische immer im Privaten verborgen liegt.

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ISBN 9783446273771
Erscheinungsdatum 26.09.2022
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FALTER-Rezension

Wie früher ihre Eltern

Klaus Nüchtern in FALTER 42/2022 vom 21.10.2022 (S. 24)

Nein, mit Irland hat der jüngste Roman von Nicolas Mathieu so gut wie gar nichts zu tun. Der Titel spielt auf Michel Sardous „Les Lacs du Connemara“ an. Das bombastische Chanson von 1981 – auf Youtube (inklusive Cover-Versionen): knapp 130 Millionen Klicks – ist eines jener Musikstücke, das einen für Minuten zum Teil eines von Weltumarmungsgefühlen euphorisierten Kollektivs werden lassen oder noch tiefer in die kalte Hölle einsamer Depression stürzen kann: „[E]r hatte den Kleinen schon bei seiner Mutter abgeladen, da skandierte die Stimme, autour des lacs, c’est pour les vivants, und allein am Lenkrad wusste er weder, wo er essen sollte, noch mit wem, so weit war es gekommen, die Haare spärlich, das Hemd spannte am Bauch […]. Das Gefühl von Verschwendung, Verdrossenheit, unmöglicher Wiedergutmachung.“

Die Rede ist von Christophe Marchal: um die 40, Beziehungswrack, teilzeiterziehender Vater und ehemaliger Eishockeycrack in der Mannschaft von Épinal, dem Geburtsort des Autors. Nach gescheiterten Versuchen als Hotelier und Betreiber eines Café-Restaurants arbeitet er mittlerweile als Vertreter für Hundefutter und ist nach der Trennung von seiner Frau bei seinem verwitweten Vater eingezogen. Aus dem fiktiven Kaff Cournécourt in der Nähe des realen Épinal ist er sein Leben lang nicht rausgekommen.

Mathieu, Jahrgang 1978, greift in „Connemara“ die Themen, Konstellationen und Motive wieder auf, die man bereits aus seinem vor vier Jahren erschienenen und völlig zurecht mit dem Prix Goncourt ausgezeichneten Roman „Wie später ihre Kinder“ kennt. Das Lothringen der fiktiven Stahlstadt Heillange, in der dieser spielt, wurde 2016 mit Elsass und Champagne-Ardenne zur Region Grand-Est fusioniert – ein Vorgang, der nun in „Connemara“ zur Sprache kommt: „Eine Region zu erfinden, dazu brauchte man schon eine gewisse Dreistigkeit und eine Menge Unwissenheit darüber, was im Leben der Menschen los war, […] die über ihrem Teller vor sich hin grummelten, sich ungehört, unverstanden, nicht respektiert und vom Monatsende, der Migration und den Bossen bedroht fühlten und sich seit gut fünfzig Jahren in ihrem patriotischen Stolz und in ihrem Fortschrittsglauben gekränkt sahen.“

Kränkung, Ehrgeiz, Wut und Scham liefern wie schon im Vorgängerroman den Brennstoff, der die Protagonisten antreibt. An der Schnitt- und Bruchlinie all dieser Affekte und Ambitionen hat der Autor diesmal Hélène platziert. Als Tochter einer Sekretärin und eines ehemaligen Fabrikarbeiters hat es die begabte und ambitionierte Schülerin zu einem gut dotierten Posten in einer Consulting Firma, zu einem noch besser gestellten Mann, zwei Töchtern und einem luxuriösen Haus in der Nähe von Nancy gebracht. Nichtsdestotrotz erlebt sie ihr Dasein als „ein ständiges Zuviel und Zuwenig“.

Hélène ist die klassische Aufsteigerin, die es geschafft und dabei Klassenverrat begangen hat. Darin erinnert sie an die Autofiction eines Didier Eribon („Rückkehr nach Reims“) oder der frischgebackenen Literaturnobelpreisträgerin Annie Ernaux. Aber obwohl sie noch keine 40 ist, verspürt sie bereits den Druck der nachfolgenden Generation im Rücken. Verkörpert wird diese von ihrer ebenso jungen wie abgebrühten Arbeitskollegin Lison, von der sie sich über „die neuen Regeln des Fickens und Fühlens“ aufklären lässt und die später eine Sexintrige gegen ihre Vorgesetzten einfädelt, die auch Hélène zum Verhängnis werden wird.

Es herrscht ein beständiger Kleinkrieg zwischen den Klassen, Generationen und Geschlechtern, und die Ausweitung der Kampfzone droht alle Augenblicke zu eskalieren. „Und wählt richtig!“ lautet das Mantra jener, die in der bevorstehenden Stichwahl von 2017 auf der Seite von Marine Le Pen stehen.

Wie seinem Landsmann Michel Houellebecq geht es auch Nicolas Mathieu darum, nicht bloß ein Milieu darzustellen, sondern mit soziologisch informiertem Blick das große Ganze, die Gesellschaft im Auge zu behalten, so fragmentiert diese auch sein mag. Alle sind letztendlich Gefangene ihrer Familien und Milieus, aber zugleich verfügt der Autor über hinreichend Empathie, um seinen Protagonisten auch Verschnaufpausen, kleine Triumphe und Ekstasen zuzugestehen.

Die Affäre etwa, die Hélène mit ihrem Jugendschwarm Christophe – der seinerzeit freilich ihre beste Freundin gevögelt hat – anfängt, ist zwar von allerlei Asymmetrien gekennzeichnet, aber der episch und en detail beschriebene Sex ist toll, sorgt für guten Schlaf, Muskelkater und Blasenentzündung. Und bei aller Scheu, sich mit einem jener „Allerweltsdeppen, die auf Fußball, große Karren und Ärsche standen“, ernsthaft einzulassen, finden die beiden für Momente dann doch zu einem „Wir“, das über die keuchende und schwitzende Zusammenkunft in Hotelzimmern hinausgeht.

Nicolas Mathieu ist ein Schriftsteller, der sehr vieles, ja fast alles kann: Sex, Landschaft, Dialoge, Innenschau und Totale. Wenn er eine Schwäche hat, dann ist es die, durch mitunter etwas ausufernde und meinungsstarke Erzählkommentare noch einmal zu erklären, was Sache ist, anstatt es anhand seines Personals vorzuführen beziehungsweise darauf zu vertrauen, dass es die Leserinnen und Leser auch selber zu entschlüsseln vermögen.

Als Sequel von „Wie später ihre Kinder“ überzeugt „Connemara“ nur teilweise. Das Drama von Pubertät und Erwachsenendasein wird nun nicht nur an Eltern und deren Kindern, sondern – mithilfe zahlreicher Rückblenden – an den beiden Protagonisten selbst vorgeführt. Statt Fußball-WM gibt es diesmal Eishockey der Regionalliga, statt „Smells Like Teen Spirit“ eben „Les Lacs du Connemara“. Mehr vom selben, bloß nicht mehr neu – und nicht ganz so gut.

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