Geld spielt keine Rolle

„Bewundernswert!“ Eva Biringer, Die Welt
176 Seiten, Hardcover
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ISBN 9783446275898
Erscheinungsdatum 20.03.2023
Genre Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Gesellschaft
Verlag Hanser Berlin in Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
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Carl Hanser Verlag GmbH & Co.KG
Vilshofener Straße 10 | DE-81679 München
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Kurzbeschreibung des Verlags

„Anna Mayrs Furor ist wichtig.“ (Christian Baron, Der Freitag) Nach ihrer Streitschrift ‚Die Elenden' schreibt sie radikal persönlich über das Thema Geld und die innere Zerrissenheit angesichts ihrer eigenen Verschwendung.

Geld gab es in ihrer Familie immer zu wenig. Als Kind fragte sie sich deshalb, wie manche achtlos hunderte Euro für Taschen, Schuhe, Steaks ausgeben können, während es gleichzeitig so viele Menschen gibt, für die 100 Euro ein kleines Vermögen sind. Inzwischen ist sie selbst eine von denen geworden, die verschwenderisch Geld ausgeben: 60 Euro für einen Skipass, 225 Euro für eine Katzentherapeutin, 748 Euro für ein Brautkleid. Immer noch rechnet sie die Beträge beim Bezahlen in Hartz-IV-Regelsätze um.
Ganz offen erzählt Anna Mayr von ihrer eigenen Bürgerlichwerdung. Doch je willkürlicher die Summen werden, die sie bereit ist zu zahlen, desto mehr sehnt sie sich nach einer Handlungsoption, nach einem Ausweg aus der Zerrissenheit. Wie hält man das Leben aus, wenn man sich selbst am liebsten enteignen würde?

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FALTER-Rezension

"Politik kann gerecht sein, Geld nicht"

Klaus Nüchtern in FALTER 24/2023 vom 16.06.2023 (S. 30)

Schon die Kapitelüberschriften machen neugierig und Lust aufs Lesen: "74,98 Euro für einen Baby-Badeanzug","225 Euro für eine Katzentherapeutin","385 Euro für die gesetzliche Krankenversicherung","788 Euro für ein Hochzeitskleid" oder "590.000 Euro für eine gar nicht mal so schöne Wohnung in Pankow". An jeweils konkreten Beispielen widerlegt Anna Mayr in "Geld spielt keine Rolle" den Titel des eigenen Buches. Und sie tut dies anhand der eigenen Biografie.
Wie es ist, als Kind zweier Langzeitarbeitsloser aufzuwachsen, hat die 1993 in einer Stadt am Rand des Ruhrgebiets geborene deutsche Autorin in ihrem Buch "Die Elenden" (2020) beschrieben. Sie selbst kann auf eine "Aufsteigerbiografie" zurückblicken, ist heute Redakteurin bei der Zeit und kann sich Dinge leisten, von denen ihre Eltern nicht einmal zu träumen wagten.

Was daran dennoch fragwürdig und falsch ist, hat Mayr zum Thema ihres jüngsten Buches gemacht. Wobei es der Autorin souverän gelingt, einen analytischen Scharfblick mit einer gehörigen Portion Selbstironie zu verbinden. Das Buch wird so weder zur pathosgeladenen Anklageschrift, noch versandet es im Anekdotischen.

Falter: Frau Mayr, was war Ihr letzter Einkauf, bei dem Sie sich gedacht haben: "Warum nur habe ich dafür Geld ausgegeben?"

Anna Mayr: Das war ein Kleid für eine Hochzeit, von dem ich hätte ahnen müssen, dass ich es nicht anziehen werde. Es war secondhand, hat aber immerhin 100 Euro gekostet.

In die Rubrik "Die dummen Streiche der Reichen" fällt das aber nicht gerade.

Mayr: Nein, aber darum geht es in meinem Buch auch nicht. Ich kaufe mir ja keine Jachten!

Sie schreiben, dass es Ihnen schwergefallen sei, das Buch zu verfassen. Warum denn?

Mayr: Mein erstes Buch, "Die Elenden", hat praktisch 20 Jahre in mir gearbeitet. Daher war ich mir sicher, dass ich alles, was da drinstand, bis zum Ende durchgedacht hatte. Aus heutiger Perspektive würde ich sagen, dass trotzdem ein paar Dinge gefehlt haben. Aber das "Ich" war dort so oder so sympathischer, weil man Opfer von Verhältnissen lieber mag als jemanden, der das System zwar analysieren kann, davon aber auch profitiert. Diese bürgerliche Kälte ist ja nicht erstrebenswert.

Und die haben Sie sich angeeignet, weil Geld nun einmal korrumpiert?

Mayr: Verfügt man über so viel Geld, dass man sich von den Entscheidungen, die politisch gefällt werden, ganz gut abschirmen kann, wird man auf eine Weise kalt -oder zumindest: kälter. Wenn ich bei Recherchen auf Leute treffe, die an etwas leiden, dann verstehe ich sie, und es bewegt mich auch vieles. Aber ich kann denen ja nicht ständig sagen: "Das tut mir wahnsinnig leid."

Das würden die Betroffenen vermutlich auch als ziemlich herablassend empfinden.

Mayr: Es wäre auch ein bisschen verlogen. Weil ich als Mittelschichtsangehörige von den Verhältnissen, unter denen sie leiden, auch profitiere.

Können Sie ein Beispiel geben?

Mayr: Ich war gegen die Anpassung der kalten Progression. Aber mir hat sie ein paar hundert Euro mehr im Jahr verschafft.

Sie schreiben, dass diese Zerrissenheit viel intimer sei als Wut. Eine interessante Beobachtung!

Mayr: Wut hat ein Objekt und ein Ziel, weswegen es sich auch so schön gemeinsam wütend sein lässt. Ich halte das eigentlich für etwas Gutes und denke auch, dass Wut und Hass nichts miteinander zu tun haben. Zwischen den Stühlen ist man einsamer. Eines meiner liebsten Kapitel im Buch handelt von privaten Krankenversicherungen. Politisch stehe ich natürlich aufseiten jener, die eine Bürgerversicherung fordern, weil mir das als Ideal gefällt. In der Praxis glaube ich allerdings nicht daran, dass es funktioniert. Das macht es kompliziert, weil die Öffentlichkeit von Leuten verlangt, sich klar zu positionieren. Wir trauen uns gegenseitig zu wenig Differenziertheit zu.

Das hängt auch mit einem verkürzten Begriff von "Interessen" zusammen: So, als ob jeder automatisch nur das vertreten kann, was ökonomisch für sie oder ihn von Vorteil ist.

Mayr: Es wird viel von Gerechtigkeit und Verteilung gesprochen, aber eigentlich wenig danach gefragt, was uns überhaupt Freude macht und wie wir die Welt so einrichten könnten, dass darin möglichst viele glücklich wären. Wenn es etwas gibt, was ich im letzten Jahr gelernt habe, dann ist es: Scham und schlechtes Gewissen helfen nicht weiter, Veränderungen können nur durch Lust entstehen, durch Spaß. Wir sollten nicht bloß über die Umverteilung von Geld, sondern viel mehr über die Verteilung von Freude nachdenken.

Sie argumentieren in Ihrem Buch, dass Geld unsere Empathiefähigkeit zerstört. Gleichzeitig kann man damit aber auch tolle Dinge machen.

Mayr: Was denn?

Schulen errichten, den öffentlichen Verkehr ausbauen Außerdem: Was spricht gegen ein gutes Glas Wein?

Mayr: Da geht es aber eigentlich um Politik, nicht um Geld. Klar, in einer arbeitsteiligen und so komplexen Welt wie der unseren brauchen wir Geld als Form der Organisation. Was damit dann aber geschieht, ob also Schulen gebaut werden, beruht auf politischen Entscheidungen. Politik kann gerecht sein, Geld nicht. Gegen ein gutes Glas Wein ist gar nichts einzuwenden, bloß dass der Umstand, dass wir es uns leisten können, mitunter den Blick dafür verstellt, wo es herkommt und unter welchen Bedingungen es produziert wurde.

Sie schreiben einmal davon, dass Sie sich in einer anderen Schicht "eingezeckt" hätten. Aufsteigerbiografien und das Thema des "Klassenverrats" haben derzeit Konjunktur.

Mayr: Ich finde ja, dass es Klassenverrat ist, wenn man den Lebensstil der "Unterschicht" romantisiert oder verherrlicht. Arme Menschen leben in schlechteren Wohngebieten, ernähren sich ungesünder und sterben früher. Würde ich sagen, dass ich "das einfache Leben" vermisse, wäre das zynisch. Es ist schon schöner, wenn man sich aussuchen kann, was und wie man konsumiert, und nicht auf die Produkte angewiesen ist, die auf Ausbeutung beruhen.

Aber auch das muss man sich erst einmal leisten können.

Mayr: Lange Zeit dachte ich, dass vegetarische oder vegane Ernährung auf einer sehr privilegierten Einstellung zum Leben beruht. Denn ja, unter den gegenwärtigen Bedingungen muss man sich das leisten können -aber daraus folgt ja nicht, dass es falsch wäre, sich so zu ernähren. Es ist lediglich falsch, dass sich das nicht jeder leisten kann.

Das Schnitzel muss leistbar bleiben", forderte auch die ehemalige Parteivorsitzende der österreichischen Sozialdemokratie.

Mayr: Ja schön, aber wer zahlt denn dafür, dass das Schnitzel so billig ist? Wir alle mit unseren Steuern, mit denen die Produzenten subventioniert werden.

Was würden Sie denn regulieren, damit wir die derzeit drängendsten Probleme in den Griff bekommen?

Mayr: Ich höre oft, dass die Klimakrise und die soziale Frage zusammenhängen. In der Realität ist das auch oft so, weil wirtschaftliche Umbauten zu sozialen Notlagen führen können. Aber das sind für mich zwei Dinge: Wir brauchen eine Gesellschaft, in der niemand in eine soziale Notlage gerät. Und wir müssen klimaneutral werden. Die Klimakrise muss in den nächsten drei Jahren innerhalb dieses Systems gelöst werden, in dem die Klassenfrage nicht gelöst werden wird. Damit muss man sich abfinden.

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