Eine persönliche Geschichte
448 Seiten, Hardcover
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ISBN 9783446276154
Erscheinungsdatum 17.04.2023
Genre Sachbücher/Geschichte/Zeitgeschichte (1945 bis 1989)
Verlag Hanser, Carl
Übersetzung Andreas Wirthensohn
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Carl Hanser Verlag GmbH & Co.KG
Vilshofener Straße 10 | DE-81679 München
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Kurzbeschreibung des Verlags

Zerstört, geteilt, geeint, zwischen Taumel und Triumph: Die Geschichte Europas wie Timothy Garton Ash sie erlebt hat.

Timothy Garton Ash ist leidenschaftlicher Europäer. Schon vor 1989 wollte er sich nicht mit der Teilung des Kontinents abfinden, bis zuletzt kämpfte er gegen den Brexit. Nun schreibt er seine ganz persönliche Geschichte Europas, die 1945 mit der Stationierung seines Vaters als Besatzungssoldat in Deutschland beginnt. Er erzählt von Freunden wie Václav Havel, erinnert sich an den Mauerfall, berichtet vom Jugoslawienkrieg, der Eurokrise und dem Flüchtlingsdrama und liefert eine scharfe, eindringliche Analyse der neuesten europäischen Geschichte. Der Angriff auf die Ukraine zeigt, wie dringend wir einen freien und geeinten Kontinent brauchen – niemand verkörpert diese Idee überzeugender als Timothy Garton Ash.

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ISBN 9783446276154
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FALTER-Rezension

"Die Nachmauerzeit ist zu Ende"

Tessa Szyszkowitz in FALTER 17/2023 vom 28.04.2023 (S. 36)

Wissen Sie eigentlich", fragte Helmut Kohl, "dass Sie dem direkten Nachfolger von Adolf Hitler gegenübersitzen? Das gefällt mir nicht, aber so ist es nun einmal." Kohls damaliger Gesprächspartner Timothy Garton Ash schluckte. Es war das Jahr 1991. Der deutsche Bundeskanzler erwähnte Hitler nicht zufällig. Er wollte darauf hinweisen, dass er -anders als der Vorgänger -nicht ein deutsches Europa, sondern ein europäisches Deutschland anstrebte. Und dass seine Vorgänger nur Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewesen seien. "Kohl aber war der erste Kanzler eines vereinten Deutschlands seit Hitler", schreibt Garton Ash in seinem soeben erschienenen Erinnerungsbuch "Europa. Eine persönliche Geschichte".
"Das nennt man auf Englisch einen conversation stopper", sagt der Professor für Europäische Studien an der Universität Oxford im Falter-Interview in seinem flüssigen, bedachten Deutsch. Die Anekdote mit Kohl erwähnt auch er nicht ohne Absicht. Auf seinem Streifzug durch ein halbes Jahrhundert europäischer Geschichte beschreibt er viele solcher Treffen mit den wichtigsten Figuren der Wendezeit. Denn der britische Historiker pflegt seit langen Jahren sehr intensive Beziehungen mit Europa.

1975 kam er zum ersten Mal nach Ostberlin. Während er fünf Jahre lang in Oxford und Berlin Geschichte studierte, bereiste er den Ostblock. Für den überzeugten Europäer war der Fall der Mauer und des Eisernen Vorhangs, die Vereinigung Deutschlands 1990 und die Osterweiterung 2004 Grund zum Jubeln. Der Brexit dagegen bekümmert und verärgert ihn bis heute. Nicht zuletzt, weil er sich als Engländer um sein europäisches Homeland betrogen fühlt. Für manche Menschen ist Heimat -entgegen der deutschen Grammatik -ein Pluralwort.

Ein anderes schmerzvolles Kapitel der jüngsten europäischen Geschichte ist für den Autor und Kommentator die Beziehung des Westens zu Russland. Auch dazu hat er eine pikante Anekdote aus dem Jahre 1994 bereit. Bei einer Konferenz in Sankt Petersburg, als Garton Ash gerade ein Sitzschläfchen machte, trat ein geschichtsträchtiger Mann an ihn heran. "Ein kleiner, untersetzter Mann mit einem unangenehmen, etwas rattenähnlichen Gesicht -offenbar eine Art Gehilfe des Bürgermeisters der Stadt -ließ mich plötzlich hochschrecken. Wir dürften nicht vergessen, sagte er, dass es außerhalb der Grenzen der Russischen Föderation Gebiete gebe, ,die historisch immer zu Russland gehört haben', und in diesem Zusammenhang nannte er auch die Krim." So meinte Putin, 20 Jahre bevor er sich eben diese ukrainische Halbinsel einverleibte.

Garton Ash ärgert es, dass die Kreml-Propaganda jetzt vermittelt, die Nato hätte Putin belogen und betrogen. Der Professor war als Beobachter schließlich sehr nah dran am Geschehen. "Zwar machten die westlichen Staats-und Regierungschefs den sowjetischen Führern bei den Verhandlungen Anfang 1990 einige weitreichende mündliche Versprechen, doch wurden diese Versprechen im eigentlichen Vertrag über die deutsche Einheit nicht wiederholt -und die Sowjetunion hörte später auf zu existieren", vermerkt er in "Europa"."Der von Putin geführte Staat, die Russische Föderation, akzeptierte die NATO-Erweiterung und garantierte formell die territoriale Integrität der Ukraine." Der Rest ist Geschichte. Auch die von Timothy Garton Ash.

Falter: Herr Garton Ash, was ist an Putins Behauptung dran, die Nato habe versprochen, sich nicht bis an die Grenze Russlands zu erweitern, und er sei von der Nato in den Krieg mit der Ukraine gezwungen worden?

Timothy Garton Ash: Der Westen hat im Gegenteil große Anstrengungen unternommen, nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems erst die Sowjetunion und dann Russland zu unterstützen. Die Nato-Erweiterung fand mit der Zustimmung von Russland und dann auch ausdrücklich von Putin statt. Ich habe mit Condoleezza Rice gesprochen, sie war unter George W. Bush US-Außenministerin. Putin hat Bush gegenüber 2001 keine Bedenken gegen die Nato-Erweiterung erhoben. Meine These ist bis heute: Ein stabiles und demokratisches Russland könnte sogar in der Nato sein. Nato ist im Gegensatz zur EU nicht nur eine europäische Organisation. Wenn Russland dabei wäre, hätten wir die beste gesamteuropäische Sicherheitsarchitektur.

Sie wollten eine Geschichte Europas schreiben. War mit Putins Überfall auf die Ukraine 2022 und der "Zeitenwende" der richtige Zeitpunkt gekommen?

Garton Ash: Wenn wir den Begriff "Zeitenwende" bemühen wollen, dann ja. Wir wissen zumindest, was jetzt zu Ende gegangen ist: die Nachmauerzeit.

Die Periode von der Wende 1989 bis zur Zeitenwende 2022 war von Hoffnung auf Friede und Freundschaft getragen?

Garton Ash: In Oxford haben wir sehr viel mit Studierenden aus der Generation der 1989er gearbeitet. Das Entscheidende für sie war die Erfahrung der Bewegungsfreiheit. Ich glaube aber, dass die Erfahrungen auch der Generationen davor -der Generation von 1945 und jener von 1968 - so bedeutend sind wie die der 1989er. In Göttingen fragte mich unlängst eine Studentin: Kommt jetzt wegen des Kriegs in der Ukraine die 2022er-Generation? Was jetzt kommt, wissen wir noch nicht. Aber persönliche Erinnerungen gehören zu den stärksten Triebkräften für alles, was Europa seit 1945 getan hat. Ich nenne das den Erinnerungsmotor. Und dieser Erinnerungsmotor kommt jetzt wieder in Gang. Und er sagt: Wer für die Freiheit kämpft, muss unterstützt werden. Heute haben wir in Russland wieder Faschismus. Das Kaleidoskop der Geschichte hört nicht auf, sich zu drehen. Alles kommt in anderer Form wieder.

Der Krieg in der Ukraine ist jedenfalls eine Zäsur in der europäischen Geschichte. Haben wir erst zu spät erkannt, was sich in und um Russland zusammenbraute?

Garton Ash: Einer der treibenden Faktoren in den vergangenen Jahrzehnten ist der Zerfall des russischen Imperiums. Das verstehen wir erst jetzt. Nicht der Untergang, aber der Zerfall des russischen Imperiums. Die Gegenerzählung ist dazu in den letzten Jahrzehnten die große Erweiterung des Westens - der EU und der Nato. Im Falle der EU wuchs die Union von 6 auf 27 Nationen an. Und die Nato vergrößerte sich von 15 auf 30 Mitglieder. Das ist das Gegenstück zum Zerfall des russischen Imperiums.

Ihre Heimat Britannien ist allerdings aus dieser Erzählung ausgeschert.

Garton Ash: Peak Brexit ist vorbei. Man sieht in den Meinungsumfragen und im politischen Diskurs und sogar im Parlament, dass die meisten verstanden haben, dass der Brexit nichts bringt. Weil wir den Brexit schon erlebt haben, bewegt sich Großbritannien jetzt auch in anderer Hinsicht nicht im europäischen Rhythmus. Wir sind schon auf dem Gipfel gewesen, was die Ausländerfeindlichkeit betrifft. Dass Innenministerin Suella Braverman von Flüchtlingen und Migranten als "invaders" spricht, dass stößt zwar ab. Aber in Großbritannien gibt es keine rechtsextreme Partei im Parlament. In Österreich führt die FPÖ in den Meinungsumfragen, in Italien ist eine Postneofaschistin Premierministerin. Hier aber ist all diese rechte Politik in der konservativen Regierungspartei aufgesogen worden.

Das macht es nicht unbedingt besser, oder?

Garton Ash: Die britische Demokratie hat die Probe Brexit überstanden. Wir sind nicht Ungarn. Und nicht die USA - wir hatten keinen 6. Jänner. Dennoch muss man sich Sorgen machen um Britannien. Zum Beispiel hinsichtlich der BBC, auf die großer Druck ausgeübt wird. Wenn jemand die politische Lage stabilisieren kann, dann ist das Keir Starmer. Der Labour-Chef verkörpert diese solide, verantwortliche, sich an die Regeln haltende Politik.

Was die Ukraine betrifft, zieht Großbritannien aber am gleichen Strang wie die EU: Die Ukraine wird unterstützt. Was bedeutet das für das Verhältnis Europas zu Russland?

Garton Ash: Es ist berührend für einen Briten wie mich, durch Kiew zu gehen und die Dankbarkeit der Ukrainer zu spüren für die Hilfe, die sie von uns bekommen. Mit Russland aber ist es uns jetzt gar nicht möglich, eine Politik zu entwickeln. Heute findet unsere Russlandpolitik in der Ukraine statt. Wir können in Russland intern nichts beeinflussen. Nicht solange Putin an der Macht ist. Danach, hoffe ich, werden wir wieder eine Russlandpolitik haben.

Putins Versuch, Europa über die Haltung zur Ukraine zu spalten, hat bisher keinen Erfolg gezeigt. Schafft er das noch?

Garton Ash: Die Flüchtlingskrise 2015/16 hatte keine positiven Folgen für die europäische Integration. Eher das Gegenteil. Aber sowohl die Covid-Pandemie als auch der Ukraine-Krieg haben wie Katalysatoren einigend auf die EU gewirkt. Ich war gerade in Brüssel, und man spürt, wie elektrisiert und dynamisch die EU heute ist. Unter den europäischen Eliten ist das gut verstanden worden, wie wichtig die Einheit der EU ist.

Nicht alle Eliten -in Ungarn sträubt sich Orbán gegen den europäischen Kanon.

Garton Ash: 2021 war ich vorsichtig optimistisch, dass die EU endlich die Verknüpfung von Rechtsstaatlichkeit und Finanzhilfen schafft. Die paradoxe Wirkung des Ukraine-Kriegs aber hat dazu geführt, dass man jetzt wiederum immer die Zustimmung von Viktor Orbán für jede Runde der Sanktionen braucht, und er weiß das natürlich.

Würden Sie Ungarn oder Polen als "illiberale Demokratien" beschreiben?

Garton Ash: Der Begriff der "illiberalen Demokratie" ist falsch, es ist, als ob man von "gefrorenen Schneebällen" sprechen würde. Eine Demokratie funktioniert nur, wenn sie liberal ist. Das kann man in Ungarn sehen. Orbán hat dort alles im Griff. Es gibt keine Medienfreiheit. Ungarn ist ein autoritäres System. Der Zustand ist viel schlechter als in Polen. Polen kann man noch eher in diesem Stadium einer illiberalen Demokratie sehen. Wenn eine andere Partei gewinnt, dann ist es wieder gutzumachen. Es ist meiner Gesundheit nicht zuträglich, aber ich sehe manchmal polnische Fernsehnachrichten. Diese antideutsche Hetze vergiftet einen, wenn man das Tag für Tag sieht. Das Wunder in den 90er-Jahren war, dass die polnisch-deutschen Beziehungen so gut waren. Wegen der Herrschaft der PiS (der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit, Anm.) hat sich das jetzt verschlechtert. Wenn die Opposition sich vereinigt, dann gibt es eine Chance. Die Kandidatur von Donald Tusk allein reicht bei weitem nicht aus. Doch da es noch unabhängige Medien gibt, ist es möglich, die Wahlen zu gewinnen und die Demokratie wieder zu liberalisieren.

Am 6. Mai wird der neue König Charles III. gekrönt. Wie schlägt er sich bisher im Vergleich zu seiner Mutter?

Garton Ash: König Charles macht die Sache gut. Er kennt die Grenzen der Rolle eines überparteiischen Staatsoberhauptes. Und er ist relativ gut in der Kommunikation. Worüber noch viel zu wenig gesprochen wird, ist unsere koloniale Vergangenheit. Charles hat immerhin schon versucht, für die dunklen Seiten des britischen Empires seinen "tiefen Kummer" auszudrücken. Das ist ein Anfang.

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